Donnerstag, 18. Mai 1922

18/5 München. Auf, wie meist, hier besonders in schwerer Stimmung. Fühle wieder Sehnsucht, fast qualvoll nach der, die sie nicht mehr für mich sein kann ― gerade jetzt, da ich mit ihr zusammen bin.― Wie wenn sie die trügerische Maske einer Verstorbnen trüge,― die es selbst nicht weiß.― Unausgesprochnes zwischen uns ― aber zu gefährlich wäre es dran zu rühren. Wieder schwer ums Herz ― Wieder Thränen.― Das „philos.“ Gespräch gestern Abend ― „nur die Resultate seien wichtig, nicht die Wege ―“ ― wie ungeduldig macht mich dergleichen!―

Zu Albert Steinrück ins Hotel;― ihn dann getroffen, er wird morgen 50, mit ihm auf und ab,― er zu Hidalla Probe.― Mit O. und Gerty R. Merzbacher (Pelz),― Einkäufe.― Bei „Böttner“ Mittag ― mit O.,― Albert und seiner Gattin Lizzie, die in den nächsten Tagen ein Kind kriegt, und ihrer Mutter.―

O. vor der Abreise zu mir ins Hotelzimmer. Ob ich ihr noch was zu sagen ― ? Ich sage: viel unausgesprochen ― doch wenn wir beginnen, ernster zu reden, wirds gleich gefährlich. Dies erwies sich sofort. Sie ließ durchblicken ― ihr sei ein großes Unrecht geschehn … u. s. w… Ich „Was hätt ich thun sollen …“ u. s. w… Sie wieder ganz die alte in Einsichtslosigkeit ― man merkt daß sie seit Monaten wieder nur Menschen spricht, die nur von ihr informirt sind. „Noch grauenhafter als ich dachte“ sagt ich … Thränen auf beiden Seiten. Thee unten. Es milderte sich. Sie begleitet mich auf den Perron … Sanfter Abschied. Sie: „Obzwar es alle wissen,― niemand hält uns für geschieden.“

― Abreise … Salzburg. Milde Grenze. Weiter nach Wien.