Montag, 27. Juni 1921

27/6 Abreise. An der Bahn Dr. Baerwald, der eine Verwandte begleitete; seine nette heitre Frau, sie luden mich nach Oberammergau ein.

Im Coupé las ich einen schlechten Roman von H. de Régnier zu Ende „Passé vivant“.―

In Salzburg treffe ich Frl. Rethy, die von ihrer ital. Reise kommt. Wir plaudern im Waggon fast die ganze Zeit;― sie hört mit Verwunderung, daß ich mich eben habe scheiden lassen. Wir reden über menschliche Beziehungen, Ehe; sie fragt nach der Entstehung mancher meiner Werke; ich rede ziemlich aufgeschlossen mit ihr.― Mein Neffe Karl im selben Zug von Aussee zurück; wir sitzen im Speisewagen.― Ein Mitreisender äußert verlegen, es werde die schönste Erinnerung seiner Urlaubsreise bleiben, daß er mit mir zusammen nach Wien gefahren und stellt sich als Vorstand der Geldbriefcentrale Wien eins vor.―

Wieder Wien.

Mit der Tram nach Hause ― ― Wucki zu ihrer schwer kranken Mutter nach Oberhollabrunn gefahren. Lili hat den ersten Theil ihrer Prüfung gemacht; Heini hat u. a. in Krems gespielt, wo ihm die Uhr gestohlen wurde.― Ich theile ihm mit, daß die rituelle Scheidung stattgefunden;― und daß ich mit G. eine Besprechung gehabt habe; was er schweigend und nicht sehr bewegt zur Kenntnis nimmt.―

Unter den Briefen einer verspätet von Lucy, dass sie schweren Herzens von München abreise und daß sie zu Gott bete, daß er mir die rechten Worte eingebe und eine plötzliche Einsicht O. erleuchte.― Ein Brief von Alma; sie fühle, nach einem traurigen Brief von O., „hier ist ein Vogel aus dem Nest gefallen“ „fliegt gegen Scheiben, die er für Luft hält“, „man muss sie schützen“. „Kommen Sie zu uns (sie und Werfel) Sie wissen nicht, wie lieb wir Sie haben.“ ―