Dienstag, 14. Oktober 1919

14/10 Um fünf erwacht ― wie gewöhnlich ― geweint, geschrien vor Zorn und Ekel.― Mit Kolap herum, die die gestrigen Andeutungen (tel.) ergänzt.― O. hat sich gestern Vorm. ihr gegenüber beklagt ― daß ich ein Gespräch vermiede ― die Wahrheit nicht hören wolle―!!― (nachdem sie mir vor 2 Monaten erklärt, daß sie nicht gefragt werden wolle und ich, um ihr Stimmausreden zu nehmen, die Auseinandersetzung und endgiltige Entscheidung bis nach ihrer Rückkehr aus München etc. verschoben).― Ferner: Richard Sp.s Vertrauensbruch ― er hat zu Roberts über unsre Beziehungen (zwischen O. und A.) gesprochen ― Während der Unterredung mit K. wird O. ans Tel. gerufen … Sie erfährt folgendes. Schrekers ― fragen neulich jemanden (offenbar G.), ob es richtig sei, dass sich Sch.’s scheiden lassen ― und sie einen andern heirate.― Wie aber kommen Schrekers zu dieser Wissenschaft:― O. die nie und nimmer schweigen kann, hat Alma gegenüber über den Zusammenbruch unsrer Beziehung gesprochen ― und die hat ihre weitern Folgerungen daran geknüpft.

Zum Krankwerden vor Ekel. Anderseits mischt sich eine sonderbare Befriedigung hinein: daß alles so mathematisch genau abläuft und alles, was ich prophezeit, mit solcher Pünktlichkeit eintrifft. Fast verfrüht; die Scheidungsgerüchte hab ich noch nicht erwartet.―

Ins Theater. Generalprobe Freiwild. Die Vorstellung schien mir heut im ganzen leidlich; ich unterhielt mich viel mit den Schauspielern ― manchesmal freilich, im dunkeln Parket weint ich Thränen des Zorns mehr als des Schmerzes. Im Zwischenakt fiel knapp neben mir ein Riesenreflector krachend vom Schnürboden herab;― einen halben Schritt und ich wäre mausetodt gewesen. Daraufhin (übrigens ohne Spur von Erschrecken) mit Nerz (spielt den Director) in dessen Garderobe ― er erzählt mir wie vor mehr als zwei Jahrzehnten die Sandrock (auf den Proben) von mir geschwärmt (nachher!) ― von der ersten Freiwildaufführung in Gmunden (er als Karinski, ich war dabei) von Anatol, süßen Mädeln ― und schien wirklich „stolz“, daß ich mit ihm in seiner Garderobe eine Cigarette geraucht.― Fräulein Rosenquist (Anna Riedel) ergreift mich beinah in ihrer blonden Schönheit ― wir reden allerlei,― von ihrer Verkühlung, ihrem Lübecker Engagement etc.― Der kleine Karlweis (Balduin) erzählt mir dass seine Schwester Martha (Stross) in Altaussee bleiben wird;― der Schauspieler Walther (Grehlinger) daß er der Bruder der Frau Schreker ist. Mit dem Dramaturgen Dr. Merzbach rede ich über Möglichkeiten eines andern dritten Akts; Frl. Gessner (Bukovics) erkundigt sich nach Albert Steinrück; die Darstellerin des Frl. Schütz will im weißen Kleid, nicht im blauen auftreten, was ich bei Hertzka „durchsetze“;― Schwierigkeiten des Pistolenschusses im 3. Akt werden besprochen u. s. w. Man bittet mich Abend herauszukommen was ich ablehne.―

Auf dem Heimweg sprech ich (nach Jahren) Dr. Robert Porges, den Chirurgen;― übers Altern ― und dass das Leben doch noch nicht aus,― und daß er nur immer die Furcht habe, sich lächerlich zu machen ― und daß er immer wieder glaube, es sei „die letzte“ ― worauf ich anatolisch erwidre „Die letzte kommt nie“ ― und mir denke ― „Die letzte war immer schon lang vorher!“

― In der Tram die hübsche blonde Frau Anninger ― zu Tisch Jessie; wir lachen viel.

Aus irgend einem Grund ist mir, als müßt ich diesen heutigen Tag besonders genau festhalten.

Den Nachm. vertrödelt; Zeitungen etc.―

Zum Thee Arthur Wilheim; allerlei aus der Bolschewistenzeit Budapests; er hat alles gerettet (rechtzeitiges Fortschaffen, Vergraben von Schmuck und Bargeld etc.);― über die Geldverhältnisse (Krone heute keine 6 centimes).―

Herr Walter (Verband Deutscher Filmautoren) mit Vorschlägen ― über die Bolschewistenzeit München. (Er war verhaftet und sollte erschossen werden); über liter. Eigentumsrechte u. ä.―

Heini kam von „Freiwild“; hat das Stück auch nicht gern.―

N. d. N. mit ihm die Sechste Mahler.―

Gelesen in Sachen von Kurt Frieberger.