Montag, 31. Mai 1886

31/5 Montag Nachmittag ―

Gerade die letzten Tage wieder hatte mich die Sehnsucht nach der angebeteten mehr gequält als je; auch Träume zauberten mir sie vor ― Da kam ein großes Frühlingsfest, das am Samstag und Sonntag im Prater abgehalten wurde. Samstag Nachmittag fuhr ich en fam. in den Prater, wo ein Blumencorso stattfand. Die Wagen zogen aneinander vorbei ― in einem sass sie und ihre Schwester. Ich sass auf dem Rücksitz und wurde kaum von ihr bemerkt, doch flogen Blumen von einem Wagen in den andern. Mich aber hielt es nicht mehr lange in unserm Coupé, und ich stieg aus und wanderte dem Strom der Wagen entgegen, wo ich vermuten mußte, dass ihr Gefährt mir wieder entgegenkäm. Plötzlich erblickt, ich sie ― da packte mich wieder die sonderbare Aengstlichkeit vor einem Wiedersehn ― und ich schaute absichtlich vor mich hin ― Ich hatte aber ― mit dem Weißen meines Aug’s sozusagen ― bemerkt, wie Gabriele, ihre Schwester ― sie lebhaft auf mich aufmerksam gemacht hatte ― Ich drehte mich nach zwei Sekunden um ― da erblickt ich sie, wie sie im Wagen sich umgewandt hatte, hoch errötend, und mir mit einer gewissen Hastigkeit zuwinkte ― Ich eilte in ihre Nähe ― eine dicht geschlossene Reihe von Wagen trennte uns, und warf eine Blume ihr in den Schoss ― in dem selben Augenblick flog eine gelbe Rose aus ihrer Hand zu meinen Füßen ― Kein Wort wurde gewechselt; ja kein Lächeln stand auf ihren oder meinen Lippen.― Nun trat ich den Heimweg an, geraume Zeit ihren Wagen immer in den Augen, endlich aber ihn im Gewühle verlierend ―

― Meine Ahnung, Olga gestern beim Rennen wiederzusehn, traf ein ― nach dem dritten Item wandelten plötzlich sie und ihre Schwester an mir vorüber ― Ich schnell auf sie zu ― gegenseitig uns freundlich, doch mit einer leichten Befangenheit begrüßend. Ihr Vater trat bald hinzu, und ich wurde in ihre Loge eingeladen, von der aus ich, hinter ihr sitzend oder stehend einige Rennen verfolgte. Ich fühlte mich immerfort bedrückt ― konnte nicht aus mir heraus ― auch waren wir nicht allein. Die dümmsten Lückenbüßer, über die ich immer sogleich ärgerlich, stahlen sich in meine Rede ― Sie sah aus zum Entzücken und sprach mir gleich von einigen Büchern, die ich ihr empfohlen ― und die sie seitdem gelesen ―

… Plötzlich war das Rennen aus, ohne daß ich nur zur Besinnung gekommen wäre über die Seligkeit ― „die ich hätte empfinden. können“ ― es war aus, sie schritt mit Vater und Schwester die Treppen hinunter… und ich sollte wieder allein bleiben.―

Da wurden unten, während sie auf den Wagen warteten, noch ein paar Worte gewechselt… Auf die novellistische Eintheilung anspielend… die wir in Meran auf unser Verhältnis ― an jenem letzten Tage ― gemacht ― sagte sie, vor sich hinsehend ― Wieder ein neues Kapitel… „Rennen“ ―

…Ich darauf: Aber wann werden wir das recapituliren…?

Sie: ― In R. ―?

Ich wieder: Sie haben mir ja verboten, vor Herbst hinauszukommen ― Nehmen Sie Ihr Verbot zurück?

Ja ― erwiderte sie, und wie ich zum Danke die Hand erreichte, ward mir ein Händedruck zutheil, der mir wohl sagen durfte, auch in ihrem Innern habe sich seitdem nichts geändert.―

Oh und heute verbring ich wieder einen Tag ― wie ein verliebtes Kind! möchte vergehn vor Sehnsucht ― sehe immer sie ― und nur sie vor mir ― wälze mich auf dem Sopha hin und her ― möchte stöhnen vor Schmerz, stampfe mit dem Fuss aufdie Erde aus Zorn, aus Wuth, daß ich sie nicht immer sehen kann ― ― ―

Dabei eine entsetzliche Unruhe, daß sie vielleicht in diesem Moment denkt ― Ich habe mich getäuscht ― er ist mir nichts ―

Ich kann nichts thun, nichts geordnet denken ― ich bin ein Narr! verliebt bis zum Wahnsinn ―

Juni

Juli