Donnerstag, 22. Juli 1886

22/7 Donnerstag Nachm.― Das erste Mal war ich Pfingstsonntag draußen ― In V. wohnten meine Leute, ich in aller Frühe stehe auf und fahre hin ― Oh, diese Empfindungen, wie ich auf dem wohlbekannten Weg immer näher kam.

― Endlich war ich dort. Ich sass beim Mittagmahl; kaum zwei Minuten; da erschien sie ― mit demselben Hut, den sie in M. getragen ― Ich wußte, daß Sie kommen werden ― Dann gingen noch Worte hin und her, es kam dieser und jener; bald war ich wieder allein.

Nach Tisch war ich in ihrer Wohnung. Es kam so. Eine junge Frau Dor. K. mit welcher ich weitläufig verwandt, doch durch die Familien wohl befreundet; mein Onkel E. und Tante, die zufällig an diesem Tag in R. waren, spielten oben Poker.―

Vorerst bummelten wir so im Salon herum. Sie hebt von den Photographien, die auf schön geformten Tellern herumliegen, eine heraus, mir sie zeigend. Ich erkenne Valentin… Jenes Valentin, wo wir am letzten Tage waren, ich sehe die Terrasse, auf der wir gesessen ― ich sehe den Tisch… ich sehe alles wieder vor mir ―

Abend nach dem Souper spazierten wir hin und her. Ihr Mann, wachsam, immer in der Nähe. Ich in rasch gefassten Worten gebe meinen Gefühlen flüchtig Ausdruck. Ich gebe ihr jene Quaste ― sie soll sie neu weihen, küssen ― Sie küsst sie ― ich nehme ihren Kuss rasch von der selben Stelle wieder.

Am Tage drauf konnte ich erst Nachmittag ein paar Worte mit ihr sprechen. Bei der Thür des Speisesaals. Es waren andre dabei; doch da sonderbarer Weise ein Mädchen Cl. K., die anscheinend auch in Meran ein Herzensabenteuer erlebt, mit im Gespräch war, so kamen genug Anspielungen vor.

Ein Mediziner Richard v. W. machte mir dann den Abend hindurch den Kopf toll. Nichts ahnend sprach er von ihr, und erzählte mir jene Geschichte von R. E., deren sie mir bereits in M. Erwähnung gethan. Doch kam noch ein andrer dann im Gespräch vor, R. P., worüber ich auch heute noch nicht aufgeklärt bin. Jedenfalls kam ich in eine entsetzliche Stimmung. Doch ward mir besser Abend, als wir alle zusammen saßen, die zwei jungen Frauen D. und O., dann eine Weile jene junge Dame Cl. Es wird sonderbar geplaudert. Minutenlang nimmt das Gespräch einen sonderbaren Schwung ― oft genug treffen sich unsre Blicke. Ihr Mann schleicht hin und her; endlich lässt er sie rufen. Die Ketten rasseln wieder. Sie verschwindet mit ihm.

Am nächsten Tag bekomm’ ich sie nicht zu Gesichte ― offenbar ist sie leidend nach einer Scene, die er ihr gemacht. Ich bin den Tag über wie verrückt ― ich suche sie zu erspähen, ihr Mann streift mich zeitweise mit einem bösen Blick. Ich reise Nachmittags ab ―

Fünf Wochen werden dann in Wien wieder hingebracht ― den letzten Sonntag früh fahr, ich wieder hinaus. Nah dem Hause begegne ich schon D. mit ihrem Manne, sie scheint bereits zu ahnen ― zu wissen? ― „wir haben Sie jeden Sonntag erwartet ―“ ― ich trete mit dem Ehepaar eben ein, wie O. mit Ötty und Frl. H. beim Mittagessen sitzt. Sie von ihrem Sitze auf, begrüßt mich herzlich. Ich sitze neben ihr ― sie ist entzückend. Am Nachmittag glücken mir ein paar Worte mit ihr allein ― ich sage ihr, was ich ihr sagen kann, daß seit jenen Tagen in M. nichts mehr für mich existirt, daß [ich wie verloren] bin ―

…Sie bittet mich, vorsichtiger zu sein ― wir sind beobachtet ― alle wissen’s ―

― Ihr Mann erscheint erst um fünf Uhr oder später, begrüßt mich bäurisch-frostig.

― Spaziergang Abds. nach dem Souper ― noch zwei Herren, D. und O.― Sie muss bald gehen, ist arg verstimmt.

In der Frühe reise ich ab. Sie, die ihrer Schwester entgegenfährt, im Omnibus mir gegenüber. Es war noch ein bekannter Dr. M. mit, der auch so drein sprach, während wir uns doch eigentlich allein fühlten.―

Leider geht auch eine solche Fahrt zu Ende ― flüstert sie mir beim Aussteigen zu ―

Nun fährt sie noch im selben Coupé mit mir und jenen zwei Herren nach G., wo sie aussteigt und ihre Schwester erwartet ―

― Und es ist wieder aus ―

Vom 1. Juni an ― bin ich prov. Sec.arzt ― ―

Kuwazl ist in Baden und hat ein Riesenglück bei den Weibern.

Adolf war zweimal auf ein paar Tage in Wien. Ich verlebte ein paar gemütliche Abende mit ihm.

Einzig und allein Fritz K. hat eine Ahnung von jener „Amour“ ―

Dinstag macht ich mit Max F. einen Spazierritt von Mödling nach Heiligenkreuz und zurück.

Ich ordinirte ein paar Mal in der letzten Zeit für meinen Papa.―

Die Novelle „Belastet“ ist bereits seit Wochen vollendet. Ich denke an die Veröffentlichung. Auch begann ich eine Komödie zu schreiben „Albine“.

Medizin wurde wenig, fast nichts gelesen; auf der Abtheilung bin ich eher nachlässig.―

1886-07-22