Freitag, 28. November 1884

28/11 Freitag Nm.―

Ich habe Montag mit sehr gutem Erfolge mein zweites Rigorosum beendigt und beginne demnächst intensiv für das dritte zu arbeiten, allerdings mit wenig Begeisterung ― Alles chirurgische ist mir schrecklich zuwider.

Ich habe jetzt wieder in alten Briefen geblättert ― wie weit, wie sonderbar weit liegt alles, ohne dass ich in mir einen wahren Fortschritt fühlen könnte. Bin freilich auch nicht in der richtigen, wenigstens was meine Anlagen betrifft, richtigen Bahn.― Fühle mich recht häufig deprimirt, und immerfort schändlich nüchtern. Keine Farbe! Keine Physiognomie ―

Richard H. behauptet in Laura verliebt zu sein, ich redete ihm soweit es nötig war, von einer Heirat (schrecklich!) ab ― warum eigentlich? ― sie ist in ihn (wahrscheinlich mehr) verliebt.

Letzthin kam meine Schwester in mein Zimmer herein, um mir zu erklären, daß ich in Charlotten verliebt sei, sie eigentlich heiraten solle ― Gestern war Richard bei mir und überbrachte mir von Minna St., einer intimen Freundin Charlottens die an ihn gerichtete Aufforderung er möchte mich dazu veranlassen, Charlotten zu besuchen ― ich thäte ein gutes Werk damit.― ― Sie soll in der That ganz gemütskrank sein, halbe Tage schlafen, um acht Uhr Abends manchmal aufstehen und mit ihrem Vater oder Onkel ― Billard spielen ―

― Neulich war Eis. Auf der Eisbahn traf ich wieder Helene H., die mir wieder enorm gefiel.

Gestern Abend war eine kleine Gesellschaft bei Theimers ohne bedeutende Attraction; Mizi K. allerdings ist ein sehr sympathisches Wesen ―

Im übrigen ists doch recht langweilig ohne ein intensiveres Frauenzimmer…―

Dezember