Freitag, 25. November 1881

25/11 Freitag Abend.― Eine Choristin vom …theater, Gusti heißt sie. Prototyp einer Wienerin; reizende Gestalt ― geschaffen zum tanzen ― ein Mündchen, das mich in seinen Bewegungen an das Fännchens erinnert ― geschaffen zum küssen; ― ein paar glänzende lebhafte Augen.― …Kleidung von einfachem Geschmack und der gewissen Grisettengrazie … der Gang hin und her wiegend … behend und unbefangen … die Stimme hell … die Sprache in natürlichem Dialekt vibrirend ― …was sie spricht ― nun ― so wie sie eben sprechen kann, ja muss ― d.h. lebenslustig … mit einem leisen Anklang von Übereiligkeit… …„man ist nur einmal jung“ meint sie mit halb gleichgiltigem Achselzucken ― „da gibts nichts zu versäumen“ denkt sie sich ― das ist: Vernunft in die lichten Farben des Südens getaucht.― … leichtsinnig ― mit einem abwehrenden Anflug von Sprödigkeit … Sie erzählt mit Ruhe von ihrem Liebhaber, mit dem sie vor wenig Wochen gebrochen hat, erzählt lächelnd, mit übermütigem Tone, wie sie nun so viele die leicht mit ihr anzubinden gedenken ― zum Narren halte … was aber durchaus nichts französisch… leidenschaftliches … dämonisches an sich hat … sondern ganz heimlich und humoristisch berührt (so lang man nicht selber der Narr ist). Dabei dieses merkwürdige häusliche ― wie sie z. B.… von ihrem einstigen Liebhaber (… besass er sie …?) tadelnd bemerkt, er hätte zu viel Karten gespielt ― und man müsse sparsam sein u. s. w.― … die gewissen obligaten Geschwister mit den Eltern zu Hause ― die tratschenden Nachbarn in den Nebengassen … jeden Moment der erste Ton und auch eine ganze volkstümliche Melodie ―

… O welch ein Chaos schreib’ ich da nieder … Ich habe wahrlich nicht übel Lust ― einmal mit Muße ― … geordnet die Skizze zu solch einem Mädchen mir kurz hier zu entwerfen, ― wie überhaupt eine Reihe von Charakteren, wie ich ihnen als Typen begegnet bin, einer correcten und lebendigen, dabei sich nicht so unverständlich zerfasernden Aufzeichnung wohl werth wäre.

― Ich dürfte dieses Mädchen, das dem oben entworfnen Bilde gleicht ― …wie eine wirkliche Person ihrem Abbild in einem Spiegel voller Sprünge …― bald wiedersehen … und hoffe dann Gelegenheit zu haben ― und Grund,… noch ungeordneter über sie zu sprechen … Hinter mir tänzelte mit ihrer Freundin Minna Leo E., ein neu gewonnener liebenswürdiger Genosse, angehender Schauspieler einher.