Montag, 28. Juni 1880

28/6 Montag Nm.

In freier Luft, in lieblicher Natur, Jedoch in menschlicher Gesellschaft, die Nicht frei, noch lieblich war, obwohl geliebt Bewegt’ ich gestern mich. Die schöne Brühl Umgab uns mit dem Schatten ihrer Wälder Mit ihrer Wies’ und Blumen üppgem Duft ― Ich schritt mit einem Buche in der Hand Das flugs in Zellen all dies Leben theilte Durchs Grün der Au’n. „Botanik“ hieß das Buch, Und alles, was ringsum mein Haupt umblühte, War Eiweiss nur und schnödes Protoplasma. Gemütlich ass ich Butter dann und Käse Und Schinken bester Art, sowie Salami, Der guten Milch nicht zu vergessen, die ― Gemischt mit des Kaffee’s anmutgem Schwarz Andächtig über meine Lippen floss. Drei hübsche Mädchen flogen hin und her, Und manches Fräulein, reizend von Gestalt Und schön von Antlitz zierte die Terrasse.

― Abend.― Mit Kahane, Sigm. Schneider, Wilhelm, Eugen, Rudolf, Jacques, Ida, Laura.―

Mir ist so kannibalisch hohl! Ich sehne mich sehr, sehr nach ihr.

Teufel führ’ ich eigentlich ein dummes Leben. Ich wollte, dass meine Seele aufjauchzen könnte, toll vor Freude! ―

Kah. verfocht heute mir gegenüber seine Weltanschauung; er glaubt nur an die Kraft und läugnet die Materie, deren alleiniges Dasein meine Ansicht ist. Materie war da ― eine Kraft (entweder außer oder in ihr) setzte sich in Bewegung um ― Von dieser Kraft ist also nichts mehr da, da sie Bewegung geworden oder vielmehr sie existirt als Bewegung und wird ewig so existiren ― die Materie bewegt sich also ― und diese Bewegung der Materie ist das Dasein der Welt. Seltsam und beinahe lächerlich ist es, jener nunmehr auf besagte Weise umgewandelten Kraft Persönlichkeit, Willen (eventuell auch eine „Mutter“, einen „Sohn“) zu geben, zu meinen, sie wirke über äußeres, habe Einfluss auf unsre Thätigkeit, könne strafen etc. „Es ist ein Unsinn ohne gleichen zu sagen „wie Gott will“. Gott muss wir wollen ―“

0 alles grübeln, alles Hinundhervagiren möcht’ ich eintauschen gegen genießendheißes, wollüstiges Glück.

― Nacht und Nacht an deinem Busen ― im Dufte deines holden Lebens athmen, einsaugen den Blüthenstaub deiner Jungfräulichkeit.―

― Ich gefoppter Gast! Welcher Esel hat mir denn dieses Beisel, genannt Erdenleben, empfohlen? Ich sitze da schon so und soviel Jahre und schreie: Heda, ich hab’ eine Portion Glück, mehr blond bestellt, wirds bald? ―

Aber der dort in der Ecke kann mehr Trinkgeld zahlen!