Mittwoch, 2. Juni 1880

2/6 Mittwoch früh.― „Die rechten Gläubigen machen eigentlich dem lieben Gott, den sie sich behufs größerer Denkbequemlichkeit haben erfinden lassen, das Regieren recht leicht. Sie lassen sich immer auf den Termin nach dem Tode vertrösten.―“

„Manche gute Seelen finden sich schon durch die naivsten Beweise eines bessern Jenseits befriedigt, wie z. B. dadurch, daß es ihnen hienieden schlecht geht. Ist denn das Dasein eine Gleichung, und muss immer eine bestimmte Summe für das Glück jedes Menschen dasein, so daß die Veränderung eines Summanden notwendig die des andern herbeiführt?“

― „Die Eltern thun gewöhnlich ihren Kindern gegenüber so, als hätten sie in dem Moment, wo sie sie zeugten, schon an sie und ihr Wohlsein, nicht aber (wie es in Wahrheit der Fall ist) an ihr eigenes augenblickliches Vergnügen gedacht.―“

Vm. C. C.― Darf man eine Zeit erhoffen, in der kein Krieg mehr sein wird? Streit zwischen zwei Menschen ist etwas natürliches; Streit zwischen zwei Völkern künstlich ― Von einem angeborenen Hasse zweier Nationen zu sprechen, ist widersinnig. „Es wäre eine Aufgabe der Durchführung werth, an den einzelnen Kriegen, die bis auf den heutigen Tag geführt wurden, das gemachte nachzuweisen.“ Es ist unlogisch aus dem Gefühl der Vaterlandsliebe das des Nationalitätenhasses zu entwickeln. Ich gestehe aufrichtig, dass es einzelne Nationen gibt, die mir höchst unsympathisch sind ― aber ich hasse keine.―

Abds.― Ich sprach heute Fany im Volkg., zuerst mit ihrer Mutter, dann flüsterte sie mir leise zu, als mit einer Bekannten herumging: „Ich habe an dich geschrieben.“ Dann redete ich sie an, als sie mit Fanny M., einem lieben wunderschönen Wesen gegen den Teich zu spazirte. Ich begleitete die Mädchen; zum Glück kam bald Wilhelm, der mit Fanny M. sprach, so daß ich ein paar Minuten ungestört mit der geliebten plauderte. Sie weinte gestern.― Ich ging mit ihr so nah, dass wir uns in unaufhörlicher Berührung hielten ― sie ist ein süßes Wesen; ich liebe sie mehr als ichs sagen kann.―