Montag, 17. Mai 1880

17/5 Pfingstmontag früh.―

… ich selbst bin höchlich verwundert, daß ich mich eben jetzt „leidlich muss behagen“ wie Josef Winter am Beginn seines Ululatus poet. Ich dichte, obwohl „linde Lüfte mich umwehn“ und „Sturm in meinem Busen tobt“ oder vielmehr weil das geschieht nichts, nichts nichts.

Mir ist, als müßt’ ich auf etwas warten. Wenns gekommen, löst sich der Bann. Ich studire nichts. Ich lese wenig. Ich gehe nicht einmal viel spazieren.

― Gut denn, ich werde meine Zeit weiter mit Warten hinbringen und ungeduldig in dem Wartesaal, benamst „gleichförmige Gegenwart“ auf und abspazieren; um so aerger, als ich das Klingeln des Telegraphen schon vernehme, von dem mir das Kommen des Zugs angezeigt wird, der mich in ein schönres Land bringen soll ― und der Zug will nicht kommen.

In einem reservirten metaphorischen Coupé reis’ ich schließlich mit meiner süßen Liebsten weg.―

Hm’ ich spaziere unruhig auf und ab.― Wenn vielleicht dem Zug ein Unfall begegnete ―? Meine Hoffnungen ― pardon der Waggon entgleiste ―? zertrümmert würde? Da möchte nun ein Mensch, der gesinnt wäre, das arme Wort zu Tod zu hetzen, drauf sagen: Dann auf und davon aus dem Wartesaal, bester Freund, muss dich denn just der Zug in die ersehnten Gefilde bringen?

Ach, dorthin führt kein andrer!

Abend.― Ich war Nachm. im C. Central, sowie im Volksg., ― mit Eugen, Jacques, Marcell B., Pepi M., Karl Z. ― spielte Carambole mit Barasch, wir „sangen“, tollten ― aber ―

Mir ist leer, öd und was noch so hübsche Worte sind. Ich wär ein andrer Mensch, ruht’ ich endlich an ihrem Herzen, im Vollgenusse höchsten Liebesglücks.― Ich steh jeden Morgen mit einem Ausblick auf kahles Feld auf.― Ich weiss nicht recht, wie die Zeit todtschlagen, da die berühmte „Unlust zu allem“ mich quält. Ich ärgre mich über mein fades Selbst und gäbe was drum, wenn sich aus dem thatlosen Embryo was entwickelte. Ich bin mir selbst zuwider.― Mein Gemüt geht leer aus ― oder was im Gemüt ist, drängt sich krankhaft vor. Wär’ die Zeit nur um! Was wird dann kommen? Ich bin so innig, so wahrhaftig durchdrungen von der Wahrheit meiner pessimist. Grundsätze wie ― von der Wahrheit, daß es doch ein Glück gibt. Gäb es kein’s, dann würden wir nicht hoffen ― uns nicht sehnen. Dass es nur Augenblicke währt, wer will darüber klagen? Dafür sind wir eben Menschen.― Aber eben weil wir nichts sind als so’n vergänglicher Zellencomplex.