Freitag, 15. Juli 1927

15/7 Früh Dr. Hoffmann. Die Klage gegen die Ravag besprochen.―

Gegen 11 tel. C. P. vom Cobenzl: Unruhen,― wegen des gestrigen Freispruchs im Schattendorfer Prozess (die Frontkämpfer hatten ein Kind und einen Invaliden erschossen) ― Besetzung des Justizpalastes, angelegtes Feuer, Schießereien, Anzünden der (antisem.) „Reichspost“; die Tram steht still.― Ich arbeite indess ungestört weiter (Romanfeile; Briefe) ― Um ½2 tel. Benedikt, der bei mir hätte essen sollen: Revolution; er kann nicht kommen, Todte, Verwundete, … „Wir dürfen nicht erscheinen u. s. w.“ ― Nm. weitre tel. Nachrichten, von H. K.; wieder von C. P. (die in Angst auf dem Cobenzl), Kolap, Julius;― uncontrolirbare Gerüchte;― ich arbeite weiter (Corr. zum 2. Akt „Wort“ und aphoristisches) ― Ruhe ringsum; dass telephonisch der Verkehr weiterdauert, beruhigt täuschend … Vom Boden aus seh ich den Justizpalast brennen …, ferne Schießereien;― ich telef. Nm. noch mit Karl P. (C. P. Sohn) auf ihre Bitte;― um ½7 tel. noch einmal H. K., aus der Lerchenfelderstr., wohin sie eine ängstliche Freundin begleitet.― Barrikaden Ringstr., Unthaten?,― etc. ― von jetzt an kein Anschluss mehr zu erreichen. Ich gehe ein wenig ins freie. Auch atmosph. Gewitterstimmung, ferner Donner;― zum Park,― die Straßen mit den leeren Tramgleisen; ganz wenige Autos, die bestellt sind;― der Park fast leer;― ein paar Leute auf den Sesseln,― wenige Pärchen. Treffe Director Stern, wir plaudern an der Ecke;― politisches wie natürlich,― mit nicht ganz berechtigter Heiterkeit;― die seltsame Stimmung an der Peripherie einer Revolution.― Wieder heim,― lese („schöne Literatur“ ― merke später, altes Heft); um 8 kommt H. K. (von Haus, in einem neuen Sommerkleid); weinend, aber dann wieder ganz ruhig, mir von dem Gesammtbild berichtend, froh, dass ihr Bruder (Polizei) noch auf Urlaub;― Einzelheiten, Gerüchte. Sie nachtm. bei mir, ist sehr müd, muss morgen doch, auch zu Fuss, ins Büro;― spricht über ihre Existenz; geht bald nach zehn, im Regen, Sommerkleid und etwas traurig.― Ich lese noch im Hildebrandt, Immermann und Melville (Taipi);― nicht nach Gebühr erschüttert;― aber wieder einmal angeekelt von den [Arbeit] Hetzpolitikern „hüben“ und „drüben“.

1927-07-15