Montag, 22. Juni 1925

22/6 Bd.-Bd. In übler Stimmung erwacht.― Allerlei Reisenervositäten.― Sie, beim Frühstück: „Ich gehe dir auf die Nerven ― weil ich ruhig bin ―“ Und vor wenigen Tagen war sie eine „unglückliche Frau“.― Sie hat immer die divergentesten Seelenstimmungen, Weltanschauungen, Selbsteinsichten, Urtheile parat;― und jede wird mit Großartigkeit vorgetragen, spürt diese Widersprüche selbst nicht. So hab ich auch von ihr zwei verschiedene Bilder in mir ― auch rein äußerlich ― die immer noch geliebte,― immer noch schöne, irgendwie fascinirende, mit der ich unlöslich verbunden bin und der gegenüber alle andern verblassen;― dann die unleidliche, verstockte, hochmütige, in sich selbst verschlossene,― mit harten Zügen, angespannt und verkrampft und einsichtslos, überall Schuld findend und nur nicht in sich.

O. und Lili begleiten mich auf die Bahn; wie ich an der Post halten lasse, fühl ich ihre Empörung. Wir scheiden freundlich, aber innerlich fern, ich mit wehen Gefühlen.―

Abreise.― Lese Maria Chapdelaine weiter ―

Abds. in München. Rheinischer Hof.― Nachtmahle im Spatenbräu.― Spät auf die Post, einen Expressbrief von C. P., die in Salzburg leicht erkrankt;― telefon. Auskunft des Bristol Portiers, dass sie in Innsbruck zu mir einsteigen werde.