Mittwoch, 3. September 1924

3/9 Zürich. Früh C. P. zur Bahn begleitet. Es waren recht angenehme Tage; sie ist eine gute Reisegefährtin in jedem Sinn. Der Moment, da sie davonfuhr, hatte trotzdem sein schönes;― das hab ich mir auch erhalten.―

Nm. gepackt, Briefe.―

Gegen Abend Dr. Bodmer, Praesident des Hottinger Lesezirkels, im Hotel; besprach mit ihm Vorträge für den Winter in der Schweiz (um dann ins Engadin fahren zu können).― Er begleitet mich zur Bahn.―

Ankunft O. Lili; Frau Koppel und Tochter, aus Zuoz. Hotel Gotthard.― Olga erkundigt sich gleich, ob ich meine Ausflüge von Lugano allein gemacht.― Nein, sag ich, mit Frau P.― Sie ass mit Überwindung weiter. Dann Gespräch über finanzielles.― Mit ihr vorm Hotel auf und ab.― Sie hätte in Chur gleich gemerkt, dass ich von einer Frau käme;― an meiner „Unfreundlichkeit“,― und weil ich mich nach ihrem Befinden nicht erkundigt. (Die Wahrheit ist, dass ich es sofort that und wir lange über die kleine Operation etc. sprachen.) ― Ob ich C. P. mit Fischers etc. zusammen gebracht … Was würden sie sich denken ― u. s. w.?― Ich machte ihr klar, dass es nicht ihre O.s Sache sich darum zu kümmern;― daß ich frei sei, wie sie; und fragte sie, wie es mit jenem Mann stände, von dem sie mir in B.-B. erzählt. Sie nannte seinen Namen nicht;― er sei jünger als sie; habe seine Eltern zu ernähren, sei ein interessanter, chaotischer Mensch; es bestehe eine Correspondenz hohen Stils zwischen ihnen;― aber sie könne sich nicht entschließen, in nähere Beziehung zu ihm zu treten, sie könne überhaupt nicht mehr lieben;― überdies sei sie es müde … schwächern als sie selbst Stütze zu sein.― Seit dem Winter habe sie ihn nicht gesehn.― Wir reden von W. G.;― der zuletzt vor fast 2 Jahren in Lübeck (sie war damals in Gremsmühlen) um sie geworben;― er wollte immer nach B.-B.; was sie abgelehnt ― auf seinen letzten Brief im Mai d. J. habe sie nicht mehr geantwortet.― Während dieses ganzen Gespräches ist sie sehr erregt; und immer wieder zärtlich mit mir;― und findet (wie ich so oft) wir müssten freundschaftlicher zu einander stehn;― es wäre schrecklich,― wenn eins von uns stürbe,― und wir ständen nicht besser zu einander.― Als ich, ermüdet, mich verabschieden will, ist sie gleich wieder beleidigt: Das ist ja alles nicht interessant ― und das einzig wichtige ist Lili ― Sie äußert allerlei sehr richtiges, mir bekanntes;― als habe sie’s entdeckt;― man müsse durch den Geist auf sie wirken u. s. w.― Wir scheiden in gutem Einvernehmen;― nie noch hatt ich so stark das Gefühl von den pathologischen Elementen ihres Wesens gehabt,― zugleich mit der Befürchtung, dass sich das alles mit den Jahren steigern müsse.―

1924-09-03