Sonntag, 6. Jänner 1924

6/1 S. Traum: Ich soll in ein Absteigquartier zu M. R. (die vor bald 25 Jahren starb); gehe aber statt dessen (oder vorher) in eines, wo ich H. K. in einer Art Alkoven im Bett finde; sie stürzt sich so gierig auf mich, dass mir graut, was ich benutze, um aufzustehn, umsomehr als im Zimmer eine Gesellschaft (irgendwie bourgeoishaft) sich befindet, ohne sich übrigens um uns zu kümmern oder uns zu sehen. Es gelingt mir nicht mich ordentlich anzukleiden,― so dass ich in sehr derangirter Toilette dastehe. Übrigens ist nur eine unbeträchtliche uninteressante Frau da, steht mir gegenüber am Tisch ― plötzlich liegt rechts neben mir auf dem Fußboden H. K., nackt, irgendwie einer Sphynx ähnlich (wie schon in einem frühern Traum). Die Frau wendet sich indignirt ab und verlässt das Zimmer, ich ziemlich empört gehe gleichfalls. Durch viele Zimmer, theilweise Gesellschaftsräume wie in einem Kuretablissement Baden-Baden,― mir fehlt der Schlüssel zum Absteigquartier;― aber ich werd ihn schon haben, es ist ja ein Traum,― ich trete ins Freie, Abend, etwa Stefansplatz Café Europe ― es ist ½9, um ½8 hab ich Rendezvous ― und meinen Pelz hab ich oben vergessen. Also zurück, durch verschiedene Räume, in einen Theatersaal, der ist dunkel, ich kann nicht weiter, Vorhang unten,― rechts durch eine Art Thorgang Blick in einen langen gestreckten tageshellen Garten, vielmehr einen glatten Rasen, mit Vase oder dergl.;― überdies seh ich rechts, das gehört zur Bühne, rückwärts wie in einer Gallerieloge, costumirte Musiker, ja, die gehören zum Stück. Ich muss einen weißen Sessel, zusammenklappbar in die Wohnung, resp. zu H. K. bringen, halt ihn in der Hand, warte ab, bis es wieder hell wird, der Sessel knarrt, eine mir unsichtbare und doch als ärmlich gekleidete Person bewußte Frau ruft mir aus dem Dunkel eine Mahnung zu;― sie bezieht sich vielleicht darauf, daß ich irgendwie auf dem Vorhang, wie auf fluctuirenden Eisengittern stehe, schwanke, in Gefahr bin, emporgezogen zu werden;― aber es ist ja alles ein Traum;― ich muß doch endlich zu M. R.;― ich spreche mit Paula B.-H. die zu mir, in Kenntnis meiner Untreue, und mit Bezug auf C. P. sagt: Ihre Freundin kränkt sich;― ich sehe (ohne dort zu sein) das Haus, wo M. R. auf mich wartet,― wie unangenehm, ich habe keinen Schlüssel, muß also läuten;― das Stiegenhaus, fast wie in einem Hotel von Gallerien umgeben, das ganze rötlich bürgerlich gehalten. Auf dem Weg zu dem Haus werd ich in widerlicher Weise von geilen Hunden verfolgt, die ihre Brunst mir nachlaufend zwischen meinen Schenkeln zu stillen suchen.― (Viel Todessymbolik in diesem Traum: M. R. die mich um ½8 erwartet (sie starb um diese Stunde!);― die unsichtbare Frau, die aus dem Dunkel ruft;― der Vorhang, der mich emporziehn will;― H. K. als Sphynx;― und weniger verdeckt das erotische und nackt sexuale mit auffallender Abwehrbetonung.)

Vm. mit C. P. spazieren Grinzing, Nußdorf.

Zu Tisch Bettina Bauer; Nm. spielt ich ihr mit Heini die IV. von Mahler vor.

Frau P., die Wittwe des im Krieg gefallnen Kunsthistorikers Pollak, gut empfohlen, stellt sich vor, als ev. Erzieherin und Wirtschaftsdame. Guter Eindruck.―

Arthur Kaufmann z. N.; ich besprach mit ihm den Fall Lili. Er sprach davon, daß ihm das letzte Mal (vor Monaten) eine merkwürdige „Unbetheiligtheit“ an ihr aufgefallen. N. d. N. Richard und Paula. Kfm. blieb noch; er holte sich Aufklärungen über gewisse physiologisch-sex. Vorgänge, die er für die „Erbsünde“ und die „Erlösung“ benöthigt.― Lili schien ihm heute viel unbefangner, mittheilsamer und kindlicher.―