Samstag, 16. Dezember 1922

16/12 Traum, sehr lebhaft: Ich trete in ein Hotel ein das ich bewohne (etwa Berlin) ― wegen Brief ― kein Portier da, ich zögre selbst zu nehmen,― eine Dame sagt mir, ein Expressbrief sei da (Meine neue Novelle: Else erwartet einen ― erhält ihn vom Portier) ― dann erscheint ein Portier, drüben an der Stiege (die Decoration wiederholt sich schon einige Mal) ― ; ich bin in (diesem?) Hotel,― von Einkäufen? zurück,― halte 3-4 Packete, darunter die gelbe Mappe (die ich Lili geschenkt) mit Mscrpt. von mir ― habe sie bestimmt zurückgebracht ― will doch noch einmal nachsehn ― ins Neben?zimmer ― etwa Ordinationszimmer Papa,― die gelbe Tasche fehlt ― ich suche unter einer Etagère, unter Schrank ― sehr erregt,― nichts ― Gott sei Dank, nur Novelle, nicht Tgb. war darin ― ; wieder in den andern Raum, zu Leuten, ein Gesellschaftsraum, eigentlich kaum sichtbar; ein Herr setzt ein Inserat auf, wegen des verlorenen Mscrpts. ― ich seh’ es, schon gedruckt (der Herr hat langen breiten Vollbart, französisch ― oder wie ich mich eben erinnre dem Helden in der jüd. Vorstellung „Eifersucht“ ähnlich) ― aber zu meiner Verwunderung enthält das Inserat ungefähr, es werde ein Hofmeister? für eine Familie gesucht. Der Herr erklärt mir,― man müsse die Bevölkerung ((es ist eine Art Curort, offenbar französisch) ― (Erika Wagner sprach gestern von ihrer Autofahrt bei Genf ― Pierrot lunaire ― Schönberg!) (ferner Walter Pf. in Genf) ―) günstig stimmen, damit sie sich für das Auffinden der Mscrpte. interessire (Vielleicht auch Scenerie aus einem Roman von Léon Werth, auf dem Lande …?) ― ich spreche von Manuscripten von unschätzbarem Werth ― was ich nicht materiell meine ― ein fernes unhörbares Lachen, ich genire mich ― ;― in meinem Mund (einige Mal wiederholter widerlicher Traum) bilden sich Kugeln, aus Schleim, Speichel; vergeblich versuch ich die langen Fäden definitiv abzuschneiden ― drei Kugeln, ich möchte sie unbemerkt aus dem Fenster werfen ― wohin ich in diesem und benachbartem Saal (Kinderball ― ? morgige Einladung Lili’s!) an ein offnes Fenster trete (die Fenster gestern in Louis Ferdinand!), wird es geschlossen ― „weil es zu kalt ist“.― Ich trete in eine große Halle, Hotel, eigentlich aber riesiger Speisesaal, zum Diner gedeckt (wieder Louis Ferd.!), elegante Kellner; ich einziger (Hotel-)gast im Saal, man kümmert sich nicht, ein Kellner zu einem zweiten: Ich höre, es sind wieder lauter Juden angekommen. Der andre, sehr fein, an den Marienlyster Kellner 1906 erinnernd (Doppelnovelle ― (das Mscrpt.!)), meint ungefähr: er habe nichts gegen die Juden, es sind „gute arme Leute“. Irgend ein dritter aber bemerkt auch irgend etwas zu der Judenfrage ― wohl antisemitisch ― vor dem Hotel (gläserner Drehtür) ― Pogrom oder vielmehr Revolution ― die damit im Zusammenhang steht ― ich auf die Straße, es ist der Hof (wo einst Latour 1848 gehenkt wurde ― an der Stelle des einstigen Kriegsminist. steht jetzt Esc. Bank (H. K.)) ― ich wende mich (fliehend) gegen das Haus wo Kattus (weiß es im Traum nicht,― hier war einst Café Jautz ― spielte vor 40 Jahren eine kleine Rolle in meinem Leben) ― will mich hineinretten, in das Bischofs-Palais (das dort nicht ist) ― sehe eigentlich keine Leute, hinter mir Lärm, Marschmusik, näherdringend, das Militär (das also gegen die Revolutionäre), irgend jemand (unsichtbar, wie aus der Höhe) sagt, sie würden nicht schießen ― die Stiege zum Palais wird in sonderbarer Weise verschlossen, durch eine Art dreieckiges Ofenrohr das über die Stiege von oben sich stülpt ― man könnte nur in den Keller rutschen,― das Hausthor daneben offen,― geschlossen die eiserne Gittertür, die zum „Clericus“ führt ― aber rechts die Stiege ist passirbar, das Café ist im 4. Stock (gestern Askonas!) (die zwei Eingänge Piaristenkloster ― Rosenbaum dort Donauverlag, schickte mir gestern ein Buch) ― ich frage die Kellnerin (am Aufzug) Ist oben noch Platz?― Oh ja!― Ich sollte eigentlich noch die Kinder (?) im Central (?) verständigen ― aber unterlasse es … Was ists mit dem Mscrpt.?― Es sind doch auch meine Tagebücher drin ― peinlich ― der Finder wirds am Ende zu Erpressungen benützen; ich denke an eine bestimmte Person;― bin noch irritirt davon, wie ich ― in meinem Bett zu Haus liege ― und erwache endlich ganz. (Weitere Deutungen) Verlust der Novelle ― vielleicht „Wunsch“ ― um sie nicht weiter schreiben zu müssen ― doch bezog sich ein flüchtiger Wachwunsch auf die Fr. d. R.,― nicht die Doppelnov. (die im Traum das verlorene Mscrpt. repraesentirte). Seltsam innerhalb des Traumes meine Einsamkeit ― es gehörte von den übrigen Figuren niemand zu mir ― und die Kinder wurden irgendwie verdrängt.―

Besorgungen in der Stadt. Begegne Clara P.― Sie hat gehört ― ich sei eben mit Berthe Br. in der Schweiz gewesen. „Nein ― ich bin auch nicht verheiratet.“ Sie. „Jetzt machen Sie einmal mir den Hof.“ ―

An der Doppelnov.―

Abends H. K. bei mir.―

Lili kommt von ihrem ersten Ball (bei Janowitzer) ―