Sonntag, 15. Jänner 1922

15/1 S. Guter Schlaf von 6-7 Stunden wie fast immer;― dann die Morgenstunde im Halbschlummer, zerwühlt, fast verstört. Hatte übrigens von O. geträumt, wie in den letzten Nächten wieder oft;― ungefähr der seelischen Situation entsprechend. Heute stand sie an meinem Bette, machte mir eifersüchtige Vorwürfe; ich erwiderte gequält … ungefähr: Wer hat das gesagt ― so laut, daß ich davon erwachte.―

Werd ich intoleranter ― ? gereizter? Immer in solchen Epochen wird meine innere Einstellung gegen die Freunde strenger. Bei Richard ists wieder einmal sein spezialisirtes Verhältnis zum Judentum; sein auf zionistische Probleme und damit sowie mit Jaákobs Traum zusammenhängende Personen beschränktes Interesse, das mir auf die Nerven geht.― Von Hugo kann ich kaum was lesen ohne innern Widerstand (ich meine was er so gelegentlich veröffentlicht, wie heut eine Molièresache in der N. Fr. Pr.). Das Niveau immer zu spüren ― und zugleich eine Überheblichkeit, Affectation, Snobismus, die mir immer unerträglicher werden.―

Spaziergang im Schnee, Michaelerberg.―

Nm. Zeitung lesen.

Zum Thee Schott (Burgth.geschichten, Intriguen, Keilerei mit dem besoffenen George, der bestechliche Molitor (von dem die Repertoirebildung abhängt;―); (etwas verletzt, daß Aslan für den Medardus in Betracht kommt));― Vilma Lichtenstern (die mir Nm. teleph. hatte) mit Schwester ― Schott ging bald; Heini spielte Cassian und Pierrette, zeigte seine Figurinen ―

Begann Friedells Altenberg Buch zu lesen.

1922-01-15