Freitag, 6. Mai 1921

6/5 Mit O. zu Dr. B.― Er fragte uns ordnungsgemäß, ob wir fest entschlossen seien u. s. w.;― und stellte uns dann das Zeugnis aus, daß seine „Vorstellungen“ vergeblich gewesen wären. Wir unterschrieben;― zahlten zwei Mark, gingen … O. weinte und war stumm;― als hätt ich ihr was angethan; ― wollte nach Haus, ich ließ sie nicht allein, eine Weile saßen wir auf einer Bank im engl. Garten; endlich in den engl. Hof; sie weinte fast ununterbrochen;― spürt den Ernst der Situation und ist irgendwie „bös mit mir“.― Dann aber machen wir kleine Einkäufe, sie mir eine Cravate zum Geburtstag; sucht mir einen Regenmantel aus. Aufsteigendes Mitleid;― sonderbarer Weise meldet sich jetzt erst allmälig das i. ph.―

Später zu Schüleins ins Atelier. Seine und ihre Bilder, viel interessantes, besonders von Suzanne, lebhafte amüsante Französin. O. und Lucy kommen, der alte Schauspieler Wohlmuth; Jause.

Mit O. und Lucy zu Alfred Mayer. Seine etwas vife Frau. Das Kind, Everl, charmant;― von Albert, wie es heißt. O. und Lucy ziehn sich ins Nebenzimmer zurück; wir drei fort, durch den engl. Garten;― O. erklärt, daß sie sich auf irgend eine Weise Geld verdienen wolle und müsse. Lucy, mit viel Ernst, erwähnt, die Situation O.s sei einfach unmöglich;― das ists was ihr von den Leuten vor allem und mit Recht übel genommen werde: „man kann nicht mit dem Einen schlafen ― und von dem Andern Geld nehmen“.― O. will plötzlich in einen Verlag gehn, als Repraesentationsdame, oder in ein Kunstgewerbeatelier,― petitpoint Stickereien machen … u. s. w.;― ich führe sie wieder in die Realität zurück; sie solle sich in nichts einlassen,― dem sie dann doch nicht gewachsen sei;― freilich solle sie versuchen u. s. w.;― aber nicht um eines „Princips“ willen irgend was beginnen, was nicht einmal nennenswerth Geld einbringe. Mir scheine nach wie vor eine Ehe mit G. die einzige richtige Lösung;― dies erweist sich freilich als unmöglich;― da seine Mutter nicht die nöthige Hilfe leihe;― aber auch wenn;― sie wolle gar nicht, sie wolle allein bleiben. (Von Lucy hatte ich erfahren, daß sie ihm geschrieben, er solle nicht mehr mit ihr rechnen, was ihn, wie mir O. mittheilt zu telef. und telegrafischen Antworten veranlaßt.) ― Gesangspaedagogisches wird erwogen;― aber wir spüren ja alle, daß O. nie zu dergleichen die richtige Energie aufbringen wird.― Die schöne Abendstimmung im engl. Garten. ― Wir nachtmahlen im Parkhotel, unter ganz heitern Gesprächen. O. völlig zerbrochen, thut mir unsagbar leid … Regen, bei der Haltestelle O. „Ach wie gern möcht ich mir ein Auto nehmen, aber so eine arme Stickerin hats halt schwer …“ ―

1921-05-06