Freitag, 20. September 1918

20/9 Vorm. dictirt: Altes zum „Sohn“;― autobiogr. Details.―

Nm. zur Hofrätin; Bahr kam wie verabredet; die Hofr. ging ins auswärtige Amt. Ich blieb mit Bahr allein (bei vorzüglichem Milchcaffee) ― er war sichtlich befangen;― ich von einer angenehmen Überlegenheit, da ich das zu erwartende Gespräch voraussehen konnte, ja ― es inhaltlich der Hofrätin schon vor Bahrs Kommen geschildert hatte.― Nach Klagen über sein nun gehetztes Leben („Wer hats dir geschafft?“ fragte ich. Er, halb scherzend,―: Gott, durch Poldis Mund.) ― begann er … „Sonderbar ― unser erstes amtliches Gespräch … merkwürdiger Moment … Dein Stück gleich gelesen … ich hab kein Verhältnis dazu gefunden … diese Weiber ― ja sie stehen da, aber ich kann nichts mit ihnen anfangen … Schon ähnlich ergings mir mit dem Weiten Land,― wo ich deine Kunst bewundert aber mich fragte. Ich könnts mit solchen Menschen ― wie du sie schilderst, keine fünf Minuten aushalten.“ Ich: Und hast es Stunden und Tage mit ihnen ausgehalten. Er: „Das ist allerdings wahr.“ ― „Nun hab ich das Stück dem Poldi gegeben ― er sagte mir … Ja … Ihnen gefallen ja so unsittliche Stücke ― ich bin nemlich für Rittner’s Unterwegs eingetreten,― das er nicht mochte …;― u. s. w. u. s. w… endlich mußte ich ihm zugestehen, daß ich zu deinem Stück kein Verhältnis habe und es nicht aufführen möchte.“ ― Ich. „Und Poldi war erlöst …“ Was Bahr lebhaft bestritt.― Ich: „Daß ich dies erwartete ― hast du schon aus meinem Brief entnommen;― ich verstehe deinen Standpunkt vollkommen; … ich möchte nur meinen darlegen: ich liebe dieses Stück ganz besonders … u. s. w., habe auch wegen der Besetzung Bedenken gehabt etc…“ Er: Ja … artistisch außerordentlich … Ich. Nicht nur artistisch ― auch seelenhaft … „Was würdest du an meiner Stelle thun?“ ― Ich: Wenn mir als Direktor A. S. ein ausgezeichnetes Stück überreicht ― natürlich aufführen!― aber, da ich Dramatiker bin, versetz ich mich völlig in dich, und verstehe, ja sah mit Sicherheit voraus, daß Ihr es nicht spielen werdet;― glaubte aber verpflichtet zu sein,― bei meiner Beziehung zum Burgtheater ― und meiner alten Freundschaft zu dir und Poldi es euch wenigstens vorzulegen.― Er: „Du darfst nicht glauben, daß ich weil ich jetzt fromm bin, andre Ansichten über „Sittlichkeit“ ― oder erotische Fragen überhaupt habe … etc.“ ― Ich: „Es bleibt doch bestehn, daß du das Stück nicht magst, und nicht spielst, weil es sich mit deiner #x201E;Weltanschauung“ nicht verträgt; denn du wirst ein Dutzend viel schlechtre spielen! …“ ― Dann er: Wie gegen außen …: Ich: „Wir bleiben bei der Wahrheit;― denn ich habe mich nicht zu schämen ― daß ich das Stück dem B. th. vorgelegt habe ― und Ihr natürlich nicht, daß Ihr es nicht spielen wollt.―“ Er machte mich dann noch aufmerksam (auch das hatt ich vorausgesagt) daß man die Komoedie gegen mich ausnützen werde … etc. Ich: Ich stehe nun bald dreißig Jahre in der Oeffentlichkeit ― man „nützt“ alles gegen mich aus ― Er versuchte dann noch die Figur des Casanova zu verkleinern;― Edthofer im V.th. würde sie „noch kleiner“ machen ― ich blieb unbeirrt; und ich möchte doch nicht in seiner Haut gesteckt haben ― so freundschaftlich herzlich wir schieden. Wer ihm’s prophezeit hätte ― vor 25 Jahren ― daß seine erste Amtshandlung im B. Th. sein würde, des „Kampfgenossen aus Jugendjahren“ Stück ― zu refusiren ― weil dem Cardinal die Aufführung peinlich sein könnte!― Als er fort war (wir sprachen noch über Aufführung Leb. Std. u. a.), war ich allein ― nahm zufällig den Bernhardi aus der Hofrätin Schrank und las die Scene aus dem 2. Act ― Bernhardi Flint … Bald kam O., die Hofrätin; denen ich berichtete. Sie waren doch etwas verwundert ― daß ich fast wörtlich alles voraus gesagt.― Hr. Lieben kam ― Politik.―

Aus dem Gespräch mit Bahr: Ich: „Und welches wäre denn die Weltanschauung in den Schwestern?― Die des Casanova? Oder des Andrea ― die noch bis zum Schluss immer fast überlaut betont wird? Ich dachte eine Zeit lang sogar daran, Andrea „Dies ist nicht meine Welt!“ ― fortgehen zu lassen … Auch steh ich nicht dafür, daß Andrea nicht während des Festes die Annina umbringt … Es ließe sich überhaupt ein sehr moralisches Nachspiel schreiben ― das könntet Ihr immer, anschließend an das unmoralische Stück im Volkstheater, im Burgth. aufführen, und einen Autoverkehr arrangiren ―“

― Mit Heini Brahms Dritte Symph.―