Sonntag, 20. Mai 1917

20/5 Türkenschanzfriedhof.― Begräbnis Stephi’s. Der Sarg unter hunderten Rosen dunkelroth, von U.― der fern in den Alleen herumspazierte; ich sah ihn nicht ― Doctor Weiser sprach ein paar Worte am Grab; St.s Muth ― als Schwester Pflegerin, als Dolomitenkletterin preisend. Unzählige Blumen. Von uns Vergißmeinnicht. Zurück, in schwülem Sommermittag, mit Schmidls,― Leo Vanjung, Kaufmann, Jacob. Diese drei saßen noch bei uns im Garten.― Auf dem Weg das übliche Gespräch über unsre falsche Stellung zum Tod, und bei allem Wissen unsre Hilflosigkeit gegenüber der tragischen Wirkung.― Dann über den Prozeß Adler (den Mörder Stürgkhs) dessen außerordentliche Rede.― Jacob (ich that ihm Unrecht) hat noch nichts über St. geschrieben; fährt morgen dazu auf ein paar Tage ins Gebirge.―

Nach Tisch mit O. ein langes Gespräch, über meine innere Beziehung zu St. Jenen Brief (vom Juli 15) hat sie ― wie ich längst wußte, gekannt. St. hat ihn ihr mitgetheilt ― als O. sich in einer innern Krise befand, gewissermaßen zu ihrer Beruhigung. O. fühlt ― glaubt ― fühlt ―? daß ich ihr vieles verschweige was in mir vorgeht ― auch jetzt. Unser unverbrüchliches Zueinandergehören. In den letzten Tagen gingen wir jeder mit unserm Schmerz allein umher; heute fanden wir uns in ihm. Unersetzliches für immer verlorenes Wesen. Das vornehmste unaffectirteste Geschöpf das ich, das wir je gekannt. Ein Persönlichkeitsreiz, dem keiner sich zu entziehen vermochte. Wie mit ihr werden wir nie wieder spaßen und lachen können. Heute vor acht Tagen um diese Stunde sahn wir sie zum letzten Mal. Wußte sie schon ―: Ja und nein. Ella Naschauer erzählt mir heute, daß auf dem Schreibtisch ― ein angefangnes Glückwunschtelegramm an mich lag, sonst nichts; nur ein versiegeltes Packet.―

Corrigirte Graesler weiter ― dann schrieb ich vorstehendes und weinte zum ersten Mal heiße heiße Thränen um unser geliebtes Stepherl ―

Abends ins Regina. Saß an Ama’s Bett. Rothe Rosen.― Bei Mimi. Professor Weiser, sympathisch.―

Mit O. heim. Auf der Terrasse mit O. Sie ging noch in den Garten zu Schmutzer’s. Ich las noch Segelfoss weiter.

1917-05-20