Donnerstag, 31. Dezember 1914

31/12 Vm. allerlei geordnet; dann spazieren; schöner Tag, der Componist Reinhardt (-Stern) (ein mesquiner Geselle) schließt sich an,― über die Zeiten und das geschäftliche.― Dann Dr. Kaufmann, mit ihm und O. herum; er hat im Schachturnier großen Erfolg gehabt (zweiter) was ihn sichtlich montirt.

Nm. wieder herum geordnet (um nichts „wichtigres“ zu machen).―

Stephi erscheint bei mir ― ich solle ihr sagen, was sie denn gegen O. verbrochen. Ich beruhige sie. O. kommt dazu, der Liebeszwist findet seine Fortsetzung, Stephi geht noch in Thränen gebadet fort.―

Sylvesterabend. Gustav und Max Schwarzkopf; ― Speidels mit Elschen, Gund’s, Hofrätin mit Fritz, Kaufmann, Salten’s, Wassermanns, Julius Helene, Hajeks, Spechts, Mimi, und Stringa.― Gespräch anfangs: (ich erzähle von der Figur Kaiser Wilhelms im Urania Kino;― wie man ihm seine Gehetztheit, sein Mitgenommensein ansieht, wie er alt geworden) Arthur K. sagt: Er hat den Glauben, trägt daher die Verantwortung leichter, überwälzt sie;― viel bewunderungswürdiger Friedrich der Große, der ohne den über ihm wachende Gott die ungeheuersten Verantwortungen übernommen.― Ich: kein Unterschied zwischen dem Gott außen und dem Gott innen ― gerade bei großen Persönlichkeiten u. s. w. Es kommt die Rede auf Bismarck, der von der göttlichen Sendung der Hohenzollern überzeugt war, u. s. w.― ich lehne die Vagheit des Begriffs ab ― wie hätte Bismarck geantwortet, wenn ich ihn gefragt: „Glauben Sie an einen persönlichen Gott in dem Sinn, dass Sie meinen, ein Gebet an ihn könnte ihn veranlassen, einen vorher gefassten Entschluss abzuändern etc.“ ― komme im weitern auf meine (frühere) Idee, ob B. nicht aus hohen Gründen seine „Frömmigkeit dogmatischer Natur“ (seiner Gattin vor-) gespielt―? ― Darauf Salten: Sehr charakteristisch für Juden, dass sie niemals an die Frömmigkeit eines großen Mannnes glauben wollen … (Charakteristisch die Bemerkung für sein Verhältnis zu mir.) ― Später zu Wassermann, wie Gespräche dieser Art nicht weiterbringen, und wie man doch auf einem gewissen Niveau zur Überzeugung von der „Identität“ aller Gottesbegriffe käme ― (Identität von Schicksal und Willen etc.―) und man rede zu viel ― Er: „Das ist ja unser Fehler, dass wir zu wenig reden ―“ „Da könnte man ja gleich sterben … etc.“ Kurz eine Apotheose des Geschmuses. ― Ich verweise darauf, dass es, fern von jenen Problemen schönes und wichtiges genug in der Welt gäbe. (Ist’s denn ein „Problem“? Das Unlösbare kann nie Problem werden!) ―

Musik. Frau Gund, dann Olga sangen; sie hatte einen guten Abend.―

Im Rauchzimmer allerlei, mehr anekdotisches vom Krieg.

Endlich Wettrernspiel, und so sei der Genauigkeit wegen aufgezeichnet: Stringa 1. Heini 2. Julius 3.―

Dazwischen ein Gespräch über Vera ― zwischen Salten, Vera, Olga,― dann auch Richard der etwas betrübt sein mochte als S. fand, ein starkes Erlebnis wäre nötig für Vera’s künstlerische Entwicklung und sagte: „Ich bin ein dummer Kerl.“―

Vor dem Einschlafen „Casanova“ weiter.―

1915