20/9 Früh zu Prof. Gomperz. Wieder erhebliche Verschlechterung. Sprachen viel über Schallverbesserungsmittel.
― Zu Rosenbaum in die Burg; wegen der ev. Doppelbesetzung. Gespräch über Berger. Er hat natürlich den Kritikern schon nachgegeben … Sobald er mit mir gesprochen, äußert er sich entzückt über mich ― was gewiß nicht hindert, daß jedes üble Wort über mich auf ihn Eindruck macht. Dieser Tage war Pernerstorfer bei ihm; sprach über Salten ― er sei Zionist, hasse alles nicht jüdische, besonders alles germanische … „Und Schn. ist geradeso.“ Sofort kam Berger zu Rosenbaum, sich erkundigen wie es sich damit verhalte.― Jetzt soll R. den Verlags-Waschzettel für Bergers Novelle schreiben.― B. denkt daran, einen Lector zu engagiren, ev. seine Nichte oder Thaddäus Rittner. (Ich vermute, daß man Rittner allmälig in die Burg bugsiren will, um einen Direktors-Candidaten zu haben.) ― R. zeigt mir einen anonymen Brief, wie sie Berger zahlreich über ihn erhält. Dieser Tage kam einer, wo B. beschimpft wird, weil er wieder von dem Juden Sch. ein Stück aufführe. (Den zeigte ihm R. gar nicht; denn auch davon läßt sich B. beeindrucken und beeinflussen.) Sonntag, anläßlich der Theuerungsdemonstration lagen 800 Husaren in der Nähe des Burgtheaters (wegen Rathaus, ungarischem Ministerium) ― B. läßt sich nicht nehmen, daß das Burgtheater beschützt war und benützt es, um sich großartig zu erscheinen.―
Trebitsch, der die Annahme des „Muttersohns“ zu forciren gesucht hat (mit Erfolg) daß er ans Burgtheater schreibt ― seine Mutter sei so krank, es wäre vielleicht ihre letzte Freude etc.―
Nm. ein wenig im Park; schwerste Verstimmung wegen des Ohrs;― das düstre Wort war ausgesprochen worden. Als hätt ichs nicht gekannt!―
Abends in die Oper. Am Eingang Schalk und Rosé, die ich sprach. Auf die Bühne. Wymetal. Gregor, breit und aimable. „ …Ich bedaure sehr das malentendu …“ (daß ich nemlich nicht verständigt worden war). Ich fragte: Ist Dohnanyi nicht verständigt. Er. „Wir wußten nicht seine Adresse.“ Ich: Er ist Professor in Berlin ― ein Brief hätte ihn erreicht. Dann hielt ich meine Meinung nicht zurück: es sei verkehrt, Pierrette als Lever de rideau vor Carusos erstem Auftreten zu geben. Er redete sich aus, und herum: er selbst hätte eigentlich auch nicht ― jetzt habe aber der Fürst wollen, und warum ich ihm nicht geschrieben … u. s. f.― In den Regieverschlag; Gregor brachte einen illustern Gast, Caruso kam schon als Bajazzo; Vorstellung. Er hörte sich den Anfang der Pantomime an, sang die Eingangstakte als zu bekannt (resp. an Walküre erinnernd) mit, fand den D Walzer grazioso und entfernte sich dann als zu aufgeregt. Kapellmeister Walter war gekommen; sein bevorstehendes Engagement nach München; er zeigt mir das charakteristische Telegramm von Richard Strauss: „Fest bleiben, Presse mobil machen.“ ― Die Pantomime wurde besser gespielt als gestern, fiel aber ab. (Ich hatte Gregor gesagt: Und wenn es das größte Meisterwerk wäre ― heute muß es durchfallen.) ― Ich blieb über den Bajazzo, hörte Caruso zum ersten Mal, sehr schön.― In den Verschlag kamen noch zwei Beamte, Jakoby und Schlader, sprachen von einem eben verstorbnen Collegen. Wymetal als Regisseur machte sich etwas wichtig, war mir aber nicht unsympathisch.―
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Arthur Schnitzler an Alfred, Freiherr von Berger, 20. 9. 1911
Quelle: Arthur Schnitzler: Briefe 1875–1912. Hrsg. v. Therese Nickl u. Heinrich Schnitzler. Frankfurt am Main: S. Fischer 1981.