Sonntag, 17. Juli 1910

17/7 Träume der ersten Nacht: (Reihenfolge nicht ganz erinnerlich.) Arthur Kaufmann mit Kellnerschürze, der auf einer schwarzen Tafel Integralrechnung löst ― 100: 3 ― (auf meine Frage).

Mit O. im Waggon, klein, wie Kahlenbergbahn, an der Rückwand 4 (?) junge Leute, dann eine schwarze Frau, im halb Profil; ich zärtlich mit O., merke, daß ich die Anwesenheit der andern vergesse ― dann (?) alle (dieselben?) in einem Café (kleines Zimmer) ein Nigger auch, ich zuerst irgendwie in Gefahr, jemand mich als Wiener vorstellend, Händedruck des Niggers, der dann sich beklagt, daß so viele Schwindler seiner Race in Wien leben.

― Wagenfahrt, ich allein, Scheideweg, Gespräch mit dem Kutscher; ich löse die Frage irgendwie durch Knüpfen eines Lederriemchens auf dem Boden (?) ― soll ich (?) aufs Schloß, wo der junge Gutmann seine Geliebten hinbringt?, Kutscher räth andern Rückweg, über Virgl? (Wilten?) ― erkenne in der Stadt spazieren gehend eine Straße von ferne nicht, es ist der Ankerhof (ungefähr wie in Wirklichkeit aussehend) ― allgemeine Bemerkung darüber.―

Bei Mahler in der Oper, großer (Probe?) Salon.― „Ich bringe Ihnen (mich versprechend) meinen Wunsch-Geburtstag … vielmehr … ich wünsche Ihnen und uns …“ rede noch weiter, Mahler (heiter) winkt ab; ich: gestern war ich in Ihrer Achten … (Neunten?) ― war entzückt. Er bemängelt die Aufführung. Ich bemerke, daß es nicht vollständig gelungnes gibt. Er widerspricht irgendwie. Mir fällt auf, daß wir in der Oper sind. Also wird M. doch Director? ― Plötzlich sitzt vor mir der kleine Kraus und noch wer; auch im Gespräch mit Mahler― worüber? ― Kraus wendet sich zu mir, ich stelle mich vor, Kraus ärgerlich, da wir uns ja so kennen; der dritte Herr ist Sonnenthal (ich seh ihn eigentlich nicht, wieso ist er da? er ist ja todt) es wird etwas gezeigt, Bilderbuch, ein Bild, jemand (ein Mädl?) heißt Thode, ― eine Stelle aus der Fackel wird citirt „ich hab mich immer gewundert, daß es in den Gräbern von jungen Mädeln so leer“ (von Spielzeug? … da sie so viel kriegen? ― jedenfalls hat es eine satirische Bedeutung) ich lache überlaut, aus schmeichlerischen Motiven, deren ich mich gleich schäme.

Treffe (mit Richard) Frl. Frieda Pollak Gentzgasse Haltestelle Lazaristengasse, ohne sie gleich zu erkennen, sie ist ernst, weiblicher als sonst ―

― Dann (?) mach ich mich, in Beisein Frau Lothars, über Lothar lustig, ihn copirend, nicht gleich bedenkend, daß es seine Frau war, denn jetzt ist sie ja mit einem andern verheiratet. Wache auf, mit schrecklichem Sausen, wie immer, und, wie immer in düsterster Stimmung, allein mit meinem Schicksal, wie man,s immer zu solchen Stunden. Vor meinem Fenster, im Dämmer (4 Uhr früh), das weiße noch nicht bewohnte Haus Schmutzers, ferner der Kahlenberg. Schreibe an meinem Schreibtisch, mit dem Blick über Veranda auf die Baumwipfel unsres Gartens, Häuservielheit, Morgenhimmel, das Haus gegenüber, wo eben das Dach fertig gestellt wird (Holzgerüst) ― die letzten Tage nieder.

Alles ist gut ― vieles wunderschön; die Sorgen finanzieller Natur wären zu überwinden ― aber der ununterbrochene Lärm, steigend, in meinen Ohren ― und die wachsende Mühseligkeit des Hörens ― das Bewußtsein, wie es kommen muß und wird ― die beginnenden Schwierigkeiten in dem äußern meines Berufs (Proben, Regie etc.) ― und insbesondre das Mattwerden der Musik ― das bedrückt mein Leben aufs allertiefste.

― Den Vormittag mit Ordnungmachen verbracht; nur einen Augenblick im Garten, durch einen Angstschrei O.s hinuntergejagt, die vom Balkon aus geglaubt, daß Lili aus dem Wagen falle.―

Im Türkenschanzpark gegessen. Heißer schöner Sommertag.―

Nm. meist im Garten; unten in einem Zug Alfred Bergers „Im Vaterhaus“ gelesen; höchst amusant und in vieler Richtung merkwürdig.―

Zu Haus genachtmahlt.― Über das W. L. mit O. vielerlei gesprochen; ihr anfänglicher Widerstand aus persönlichen Gründen.―