Montag, 24. September 1906

24/9 Das bequeme Mittel Stimmung und Selbstgefühl zu verbessern: Die zu verachten, die nichts von einem halten, versagt leider bei mir. Ich bin nicht nachträgerisch und nicht dumm genug, um ungerecht zu sein. Meinem Urtheil mangelt die wohlthuende Fähigkeit, sich durch Leidenschaft verdunkeln zu lassen. Es wäre gewiss eine sozusagen gesunde Seelenthätigkeit gewesen, Harden geringzuschätzen, aber es gelingt mir nicht. Ich erinnere mich auch Herzls, der mich nicht leiden konnte (in den letzten Jahren) sich wirklich dumm gegen mich benahm ― und nie erfahren hat, wie sehr ich ihn respektirt, ja bewunderte. …Im übrigen ― wenn man über sich schreibt, so lobt man sich immer. Spricht man von seinen Fehlern, so lobt man seine Bescheidenheit, seine Selbsterkenntnis. Nennt man sich einen Schuften, so liegt darin eine leise Verachtung für die anständigen Menschen, heißt man sich feig, so deutet man an, dass der Muth eigentlich eine lächerliche und meist verlogene Eigenschaft ist, u. s. f.

― Heute vor neun Jahren.―

Regen. Salten kam um ½12, blieb über Mittag bis 4. Anfangs leichte Befangenheit zwischen uns. Später kam die alte Liebe heraus. Seine Übersiedlung. Geldverhältnisse. Alter. Erinnerungen.

O. ging zur ersten Stunde nach den Ferien.

Las Kap. 2. 3. 4 des Romans. Besserer, zum Theil sehr guter Eindruck. Merke deutlich, wie untrainirt zum arbeiten ich bin. Faul, faul, faul. Zerstreutheit, besser: mangelnde Energie die Aufmerksamkeit zu concentriren.―