Montag, 25. Mai 1903

25/5 Vm. bei Rh., woselbst Lola B.― Die Gerüchte über meine Verheiratung.― L. B. begleitete mich, auf der Stiege sagte ich ihr, dass ich ein Kind hab.― Auf der Straße Gespräch; ihr ganzer Zorn auf mich kam heraus. Eigentlich sei nur der Umstand an Mz.’s Tod Schuld gewesen, dass ich sie nicht geheiratet;― das „Herumhetzen“ vor der Entbindung u. s. w. Ich versuchte ihr in Ruhe klar zu machen,― dass sie 1½ Jahre nach der Entbindung an einer durch kein Anzeichen vorhervermutheten App. gestorben sei, dass die Zeit ihrer Schwangerschaft, wie sie mir oft gesagt, die glücklichste ihres Lebens gewesen.― „Unsre Familie hat alles Unglück.―“ ― Ferner „Die Leute warten ja nur drauf“ ― (nemlich dass ich doch heirate, womit zur Evidenz hervorginge, dass ich M. nicht geliebt habe).― Endlich verlangte sie von mir ― Mz.s Briefe an mich.― Erklärte weiter, dass ich für Erhaltung des Grabes nichts mehr beitragen dürfe.― Ich wurde im Laufe des Gesprächs etwas heftiger; endlich sagte ich. Sie dürfen nicht glauben, dass Ihnen jetzt plötzlich der Theil von Mz.s Wesen und Leben zufällt, der mir gehört hat und nach wie vor gehört.― Wir nahmen Abschied. Sie nahm die Hand nicht die ich ihr reichte.― Sie hatte Thränen im Auge.― Es war vor Ronacher, ich ging zu den Kindern meines Bruders.―

Nachm. las ich verschiedentliches durch, das ich in der letzten Zeit aus frühern Entwürfen dictirt, ohne besondern Grund zur Zufriedenheit. O. kam mich holen. Beide in schwerer feindseliger Verstimmung. Ihr Bericht über den Advokaten, dem ich Documente zu geben hätte (wegen Heiratsbewilligung) macht mich warum weiss ich kaum wüthend.― Wir holten Fanny M. und Frl. Rothenstein ab; schwüler Abend, Prater, Regen, [wenig] „Venedig“, „Sousa“, Römersaal genachtmahlt, Rutschbahn etc.; etwas bessere Laune.― Kaum waren wir zwei in der Tram wieder allein, Schweigen, Düsterkeit. Ich in einem ungerechten innern dumpfen haßartigen Zustand ― hervorgehend aus der steten innern und theilweise äußern Beschäftigung mit langweiligen Angelegenheiten, ferner durch Sorgen, an denen sie unschuldigerweise die Schuld ist. Die ungeheuren Ausgaben ― und dazu die dauernde Arbeitsschwäche, ja Unfähigkeit jagen mich zuweilen in wahre Angstschauer. Und statt ineinander zu versinken, uns aneinander aufzurichten, erstarren wir gegenseitig in unsern trotzigen Mißstimmungen. Es ist zum verzweifeln. Könnt ich mich nur mehr beherrschen, verstellen wenigstens. Es ist eine traurige Zeit. Übermorgen wollen wir verreisen.―