Donnerstag, 19. Februar 1903

19/2 Mein ganzer tiefer Egoismus widerstrebt der Nöthigung, Opfer zu bringen, sich Opfer aufzuerlegen; und meine Sentimentalität bringt mich in Lebensverhältnisse, wo dies alles notwendig wird. Auch hier die Disharmonie, der Kampf zwischen zwei direct entgegengesetzten Lebensanschauungen, der mein Wesen charakterisirt und mich zu einer ewigen innern Unruhe verdammt. Revolutionär ohne Muth, Abenteuerlustiger ohne die Fähigkeit Unbequemlichkeit zu ertragen ― Egoist ohne Rücksichtslosigkeit ― und endlich ein Künstler ohne Fleiss ― ein Selbsterkenner ohne Tendenz zur Besserung ― ein Verächter des allgemeinen Urtheils mit der kleinlichsten Empfindlichkeit ― so einer ist dazu geboren, alles zu bereuen, was er angefangen ― denn er setzt nie sich selber ein, und es gibt kein Glücksgefühl ohne diese Entschlossenheit.

― War in der Gentzgasse, traf O. nicht mehr. Ging dann zu meiner Schwester. Auf dem Weg traf ich, wie im Roman, Frau Gl., sie hatte gehört, ich würde heiraten; sie war dagegen; ein Gespräch über die großen Unsicherheiten alles Erotischen erhob sich in der Frühlingsluft. Dr. Mathias kam dazu; Recherchen wegen einer verirrten Kugel im Gl.’schen Garten.― Bei Gisa.―

Zu Hause ein Brief O.’s, der etwas beruhigend war.

Nm. am „Abenteurer“.

Mit Gustav zu O.― Las das Stück, die letzten Akte ganz flüchtig vor. Ganz wie ich vermuthete: 2 Stücke; in jetziger Fassung unmöglich.― War eigentlich ziemlich erlöst, nachdem es vorbei war.―

In der Red. bei Salten.―

1903-02-19