Montag, 15. Dezember 1902

15/12 Zuerst im Thierspital Bern.― Zu O. Ein Gespräch von gestern fortgesetzt. Ihre Carrière. Ich sprach von Unannehmlichkeiten des Engagements in gewissen Städten; zog Concertcarrière vor; und sie hörte daraus eine Feindseligkeit gegen ihre ganzen Bestrebungen, einen Versuch ihr die Carrière zu verwidern. Ich war heftig wie gewöhnlich; sie nicht minder, ich im weitern Verlauf möglicherweise auch ungerecht; sie trotzig ― Das schauerliche an solchen Discussionen bleibt doch immer, dass sie den Grund aufwühlen, auf dem der Hass ruht,― wie er zwischen allen Paaren besteht, die einander lieben.― Es kommt immer wieder zu Versöhnungen, und wir trösten einander gegenseitig, dass es nur die Liebe ist … die eifersüchtige ― übrig bleibt doch ein Müdewerden, Müdesein, und die grauenvolle, aber nie ausbleibende Einsicht: man hätte einander lieber nicht finden sollen.― Was mich anlangt: ich hätte übrigens in jeder Situation meines Daseins die Empfindung ― die andre, die entgegengesetzte wäre wünschenswerther gewesen.― Was hilft alles Verstehn, alles Glück von Stunden ― wenn ein unvorsichtiges, ein zorniges, ein bittres Wort alles in uns aufpeitscht, was uns zu Feinden macht.

Was ich hier nieder geschrieben, gehört zu den Worten, deren man sich auch später schämt, die man zurücknehmen möchte, von denen man sich sagt: sie verdanken kranken Augenblicken ihre Entstehung.― Immerhin: sie sind da. Auch aus seinem Glück versuche man das Elend nicht wegzuläugnen.