Samstag, 19. August 1893

19/8 Mittags brachte Mz. mit großer Emphase die Briefe an P., die ich verlangt hatte.― „Hier hast du meine ganze Schmach.“ ― Ich öffnete das versiegelte Paket.― Lese, die Briefe fallen durch ihre Kühle und Flüchtigkeit auf. Ein Brief P.s liegt bei, er schicke ihr die Briefe nicht poste rest., wisse nicht warum, es könne sie jeder lesen, stehe nichts andres drin. („Liebe Freundin“, „du“) ― Ich lese weiter. Ich lache. „Es fehlen welche.“― Nein! Sie will meinen Segen, bevor sie weggeht.― Ich lese etwa 20 Briefe. „Jedenfalls hast du mich mehr geliebt als ihn.“ ― Da, plötzlich unter den andern, ein Brief an P. ― von gestern!―

„Verehrter Herr von P.!― Anbei die Briefe ― ich schrieb fast die ganze Nacht ― und heute Vormittag ― Bitte thun Sie Ihr möglichstes zum gelingen der Sache und lassen Sie es an ernster Verpackung nicht fehlen. Packen Sie vielleicht den Brief da bei!!*) Ich fühle meine Hand nicht. Die Finger sind ganz steif.― Schreiben Sie vielleicht so: L. Frl. Anbei Ihrem Wunsche gemäss die Briefe, ich weiss aber nicht, warum restante ― ich schicke sie daher direct ― oder auch anders.― Bitte schön lassen Sie sie heute noch aufgeben, ich erwarte sie morgen früh.― Adieu, ich kann nicht mehr sitzen.“― Ich lese diesen Brief, und sage. „Ihr seid unvorsichtig!― Die Briefe ― sind gefälscht.―“ Sie todtenblass, wie vernichtet. „Ich muss in die Donau. Ja so tief bin ich gesunken! Alles um deinen Segen.“― Sie weiss nicht was thun, markirt Ohnmacht, schlägt ihren Kopf an meinen Rauchtisch u. s. w. ― bis ich sie gehen heiße: ihre Schwester solle mir Nachmittag die echten Briefe bringen.― Aber ich bin stumpf; nichts mehr macht mich staunen.― Nachm. brachte mir Gusti die echten Briefe; natürlich nicht alle. Wir lasen sie zusammen in einem Vorstadtkaffeehaus. Da spricht Mz. Herrn P. mit „Mein geliebter R., Engel“ u. s. w. an, erklärt aber zugleich, daß ich ihr Gott sei, sie ohne mich „krepiren“ müsse etc.― Interessant ist auch ihre Antwort auf einen Brief von ihm, in dem er, wie es scheint, auf meine Confession schimpft;― am besten ein Zettel, offenbar aus der Zeit der anonymen Briefe stammend, in dem sie ihn beschwört, mir nicht zu sagen, daß er in W. und St. G. war, wenn ich käme ihn fragen,― sie werde dann sehr lieb mit ihm sein; er könne von ihr haben, was er wolle ― aber ohne mich kann sie nicht leben.―

*) bezog sich natürlich auf einen der neu geschriebenen

Welch ein erbärmliches und erbarmungswürdiges Geschöpf! (Unter den gefälschten waren auch einige echte Briefe.) Gespräch mit Gusti, bevor ich zum Rendezvous mit Fifi ging (Gusti begleitete mich bis zur Bahn). Sie: „Kann man mit jemandem brechen, weil man ihn zu sehr liebt?“― Sie liebt nemlich und scheint vernachlässigt zu werden.―

Mit Fifi im Kreuz soupirt; dann war sie bei mir, aber ich dachte nicht an sie.―