Freitag, 14. April 1893

14/4 Mz. bei mir.― Die Scene natürlich ganz anders, als ich sie dachte.― Gar keine Wuth.― Sie sprach anfangs per Sie, Herr Doktor; schlich herein;― „soll ich wieder gehn“.― Ich wehrte diese Komödie ab.― ― Also ja: sie hat sich ihm in einer „irrsinnigen“ Sekunde hingegeben, war (so erzählt sie) wie rasend danach. Er drohte mir immer zu telegrafiren und hatte sie so in der Gewalt (was nach dem Verlauf der Sache klar scheint). Sie weiss, ich kann sie hinausjagen, sie ist eine Dirne ― ja, sie weiss es. Aber sie wagte es nicht von dort aus zu gestehn; aus Furcht - dann verließe ich sie und nähm eine andre Geliebte; und das wär ihre letzte Stund gewesen. Das betont sie: die furchtbare Angst, dass ich sie hätte betrügen können. In Wien, schwört sie, hätte sie mir alles gesagt,― da hätte sie mich bei sich gehabt; und sie glaubt, ich hätte ihr verziehn, wenn ich alles gewußt hätte (dumme Lügen).―

― „Früher hab ich dich wahnsinnig geliebt ― jetzt, wie eine unzurechnungsfähige!― Ich will weg vom Theater.― Ich will hier eine kleine Stellung als Telegrafistin, bei der Post ― ich will nur eins: dich alle 8, alle 14 Tage, alle Monat einmal sehn. Du brauchst mich auf der Straße nicht zu grüßen, wenn dich einer nach mir fragt, so verläugne mich,― nimm mich leichter;― du hast ja schließlich als junger Mann das Recht mit irgend einer Cocotte zu verkehren ― nimm mich als das, da ich deine Geliebte zu sein nicht mehr würdig bin. Aber ich ertrag es nicht, daß du einer andern gehörst; daran geh ich zu Grunde.―“ Als ich ihr nun diese Nothwendigkeit andeutete, bekam sie einen Erstickungsanfall (der vor einem Ohnmachtsanfall den Vorzug hat, daß er nicht simulirt werden kann).― Ich berührte sie nicht, und wenn sie mir zu nahe kam, stieß ich sie leicht weg. (Großartig!!) Ich fühlte nicht sehr viel Schmerz im Reden mit ihr; nur ihre große Anrede packte mich; sie war wunderschön, und sie brachte sie glänzend.― Jetzt fühl ich wieder einen sehr heftigen Schmerz.― Die Idee, sie zu meiner Cocotte zu machen, sprach ich neulich, als eine experimentalpsychologische, Salten gegenüber aus; aber in praxi ist das ein Unsinn. Aus einer Geliebten kann man das nicht machen.― Ich sagte es ihr auch: Ich könnte deinen Antrag in dem Fall annehmen, ― wenn ich dich nicht liebte;― solang ich dich liebe, kann ich dich nie wieder berühren, weil ich vor Ekel zu Grunde ginge.― Begleitet sie nach Haus.―

1893-04-14