Mittwoch, 29. März 1893

29/3 Kein Brief.― Gefoltert von den Gedanken an die unsägliche Verlogenheit ihrer Briefe!― Dabei hat sie nur dasselbe gethan wie ich.― Und ich habe sie wahnsinnig geliebt, während ich sie betrog, und habe nun doch die ehrlichste Entrüstung.―

Nachm. Sophie bei mir (durch eine Freundin eine Stunde vorher angemeldet). ― Anfangs befangnes Gespräch; dann zärtlich, wilde Küsse.― Sie „Ich muss fort, ich muss fort“ mit verhauchender Stimme.― Ich hätte sie vielleicht sogar besitzen können; aber mir fehlte der Muth dazu.― „Hätten Sie mich geheiratet?“― Ich: „Ja ― aber meine mater. Verhältnisse ―“ Sie: „Oh mit Ihnen hätt ich leicht entbehren können.― In diesen 2 Zimmern, ― wie viel Glück hätte da Platz gehabt!―“ Wie sie das sagte, mußte ich natürlich an Mz. denken und weinte. Sie war gerührt.―

Ich fass’ es noch nicht.― Der Traum, das Glück meines Lebens zerstört, und schändlicher als ich je geahnt,― durch monatelang fortgesetzten Betrug ― und ohne die anon. Briefe hätt ich vielleicht nie was erfahren!