8/9 Sonntag Nachm.― Vormittag eine Sekunde allein mit Olga in der Kanzlei, sie küsst mich. Dann zu Mittag dabei, wie sie dem Maler Spielter zu einem Bilde sitzt.― Charles, ihr Gemahl, auffallend verdrossen. Bittet mich um eine Unterredung. Erklärt mir wieder, dass diese „Hinundherschlieferei“ mit seiner Frau aufhören müsse Schwankt zwischen besonnener und wilder Rede. Ich erwidere sehr kalt und verlogen. „Ich verehre Ihre Frau außerordentlich aber! ― Dass Sie den Tratsch scheuen, begreif ich ― aber über wen spricht man nicht etc.“ Er sagt dies und das. Wenn er wirklich eifersüchtig wäre, könnte er ja rasch ein Ende machen Ich hab ihr gesagt, wenn das wieder vorkommt, so kriegst du ein paar Ohrfeigen und fliegst hinaus Und Sie, Herr Doktor, vergessen Sie nicht ― eine Frau ― die hier ihre drei Kinder zurücklasst Ich liebe meine Frau ― keine andre ― Es ist mir ja eine Ehre, wenn Sie herauskommen, ein Vergnügen, und ich hab es ja gerne, wenn meine Frau auch eine geistige Unterhaltung hat, die ich ihr nicht bieten kann Ich weiss, Sie sind ein Ehrenmann; ich bitte Sie, den Schein zu vermeiden.― Vor drei Jahren, wie Sie da waren, da war sie ja ganz verloren ― immer um Sie ― mit Ihnen da, dort, Nachts spazieren gegangen u. s. w.― Und gestern Abends in der Kanzlei ― damals hat man mir ja gesagt, wie ich den Liebhaber meiner Frau in meinem Hause dulden kann.― Ich vertraue ja meiner Frau, ich bin nicht eifersüchtig. Da könnt ich ja schnell ein Ende machen ― Und heute, wo eine Lebensfrage von mir auf dem Spiel steht, meine Frau kümmert sich gar nicht drum; läuft zu Ihnen.―
― Wir schieden natürlich als die besten Freunde; haben jetzt eben eine halbe Stunde unten von London und Reisen geplaudert, als wenn wir uns zum Fressen gern hätten. Olga kam dazu; es war ganz rührend. Ein Narrenhaus, diese Welt!―
Meine Eltern jetzt verreist, vertrete den Alten in der Praxis.―
Episode als Separatabdruck erschienen (nächstens in der bl. Donau).
Neues Stückchen: Die Frage an das Schicksal, Ende August geschrieben.
Fußpartie mit meinem Bruder und Paul Goldmann gemacht.
Max v. Rosenberg, poetisch empfindender, feiner, leicht melancholischer Mensch; etwas Pose; ein bischen Musset.
Zwei herrliche Sachen gelesen, Niels Lyhne von Jacobsen und Confessions d’un enfant du siècle von Musset.
Nach wie vor Assistent auf der Poliklinik, ohne mich erwärmen zu können. Mein Schwager überflügelt mich medizinisch unendlich. Seine Natur bleibt mir fremd.
„Die Blasirten“ begonnen; komme damit nicht in Fluss, lasse es wohl stehen.
Ein Lustspiel in Versen soll jetzt heraus… wenn ich nur mehr Muße und mehr Ruhe hätte.―
Zwei Erzählungen entstanden im Sommer, Reichthum, Der Sohn, sowie Gedichte.―
Ein paar Gedichte waren in der blauen Donau unter dem Pseudonym Anatol.―
Heute Nacht ein entsetzlicher Traum; ich komme zu spät zu meinem Begräbnis, werde schon erwartet. Stehe vor dem Hausthor und sehe die Kränze, suche zu errathen, von wem sie sind. Bin tief betrübt. Habe Angst, mich in den Sarg zu legen; dann redet mir die Mutter zu. Ich denke, die Betäubung wird schon kommen…
Der Gedanke, Helene H. zu heiraten, durch Mizi wieder ganz zurückgedrängt; nur neulich wacht ich einmal, als ich bei Jean. schlief, mit einem Gefühl einer tiefen Innigkeit für Hel. auf, von der ich geträumt hatte. Als ich das letzte Mal in Baden war und sie vor den Gefahren des Sees warnte, rief sie mir mit einem eigenthümlichen Blick nach ― Es gibt dort keine Gefahren für mich, überhaupt nicht!
Jean. theilte mir neulich mit, dass sie bei Hartl fechten lernt, um sich später Geld verdienen zu können. War anfangs ärgerlich, ist mir eigentlich so gleichgiltig.― Sie wird mit einer Truppe auf ein Gastspiel weggehen.
Von Mizis Schwester gestern ein Brief, erkundigt sich nach dem Befinden ihrer Schwester, gegen die ich so liebenswürdig sei ― Große Gefahr von dieser Seite, wenn Mizis Mutter ihr die saisirten Briefe zeigt, was fast zweifellos erfolgen wird.
[Chronik September.―]
8. Sonntag ―
mit Olga Kanzlei ― Charles. Spaziergang ― Abds. Rich. Engländer. Poker mit Schey’s und Olga.