Donnerstag, 2. Juli 1885

2/7 Donnerstag …

Noch nicht ganz gesund ― das gibt allem die Farbe ― somit noch gar nicht recht auf den Geschmack der Doktorswürde gekommen.

― Eben hab’ ich an Charlotte eine Karte p. f. abgeschickt, sie ist nemlich seit ein paar Tagen mit einem Herrn Carl H. officiell verlobt. Liess mich vollkommen kalt.― Leute, die es gar nichts angeht haben Kenntnis davon, dass zwischen ihr und mir etwas wie eine Liaison bestanden hat; von ganz unbetheiligten hörte ich direct und indirect Anspielungen. Sie machte kein Hehl daraus, daß sie mich liebte.― Ich mache vorderhand (ein gemeines „vorderhand“!) den Schlusspunkt zu der Geschichte.

Fännchen sprach ich ein paar Mal. Es ging natürlich nicht ab, ohne dass sie etwas zu viel ― sagte. Z. B. dass sie ― verloren wäre, wenn sie nun ein Verhältnis mit mir hätte ― überhaupt schlug sie einen ganz verwegen sinnlichen Ton an, dem gegenüber ich mich verhältnismäßig anständig benahm, indem ich nur ganz oberflächlich darauf reagirte.― Würde sie nur schon heiraten! Sie geht mir mit ihren 23 Jahren wie ein lebendiger Vorwurf mit schönen Augen vorüber.― Obzwar ich mir wohl nichts vorzuwerfen habe.―

― Knapp vor meiner letzten Prüfung erlebt, ich einige Abende und Nächte in den Armen einer schwarzen Jüdin. Sie hatte entschieden Race und wollte sich mehrere Mal, während das Licht ausgelöscht war, erdrosseln, wurde überhaupt öfters unangenehm. War schrecklich eifersüchtig oder stellte sich so, war immerfort rasend verliebt oder glaubte es mir einreden zu können, hatte viel Temperament und spielte entschieden manchmal Komödie. Jetzt auch, u. zw. in einem Sommertheater nahe Wien. Ich liess sie aus verschiednen Gründen sitzen. Jedenfalls hiess sie Josefine; damit hat sie wohl die Wahrheit gesagt. „Josefine“ klingt ja nicht unwahrscheinlich. Ich nannte sie darum auch Pepita.

― Sonntag war ich mit meinem Bruder in Pest (Ausstellung ― blaue Katze und verschiedene Eigentümlichkeiten Pests ― ― ―); Montag fuhren wir an den Plattensee zu meiner Tante Lotti B., am Tag draufwieder nach Pest; am Abend fuhren wir nach Wien zurück. Es war zu heiss, und wir hetzten uns zu sehr ab ― u. s. w., so dass es eigentlich kein reines Vergnügen war, obwohl ich mich im ganzen recht wohl amüsirte.―

Hier in Wien verbracht ich manchen Abend mit Collega Louis M., Petschek, Alekko etc.; Dr. Leop. R. zählt gleichfalls zu meinem vertrautern Verkehr ― man plauderte spielte ― was rechtes ging nicht vor. Auch mit Louis F. sowie mit seiner Geliebten, Valesca, war ich manchmal zusammen; es gab heitre Stunden ab und zu; besondres wüsst ich nicht zu berichten. Richard T. steht noch immer im Banne jener Dame in der Nähe der Dreißig ― verbringt Tag für Tag viele Stunden mit ihr ― und lässt sich wenig sehen. Richard H. ist neulich Doctor juris geworden.

― Von Eugen bekam ich vor zwei Wochen zwei Zeitungsnummern zugeschickt, vom Executiv comité der New Yorker Socialisten herausgegeben, stark roth gefärbt; aus Eugens Feder in der einen Nummer ein Gedicht, in jeder Hinsicht miserabel; in der zweiten Nummer eine etwas breite Notiz über Heyse, in welcher er sehr heftig über dessen Person loszieht, eine Münchner Historie als Beleg beibringend.―