Dienstag, 10. Juni 1884

10/6 Dinstag Abd.― Da sitz ich … in einer möglichst hypochondrischen Stimmung. Nicht weil sie mich immer beherrscht, trägt beinah alles, was in diesen Blättern geschrieben steht, solche Farbe, sondern weil ich besonders in solcher Stimmung zu schreiben mich gedrungen fühle. Aber es ist so manches, darunter auch ganz lächerliches, was einen leicht hypochondrisch machen kann. Da vor allem die Medizin. Meine Rigorosen rücken heran, und beinahe der gesammte Stoff ― abgesehen von der Odiosität des Examens ― lässt mich kalt ― ja läuft mir, meiner Stimmung, und ― ich bin nun definitiv darauf gekommen ― meinem Naturell direct zuwider. Mit welcher Fadaise erfüllt mich z. B. der chirurg. Operat.-curs an der Leiche, den ich jetzt höre ― Wie unangenehm berührt mich Stellwags (der Mensch trägt gelbe Hosen zu seinem Salonrock!) Buch über die Augenheilkunde ― Wie deprimiren mich ― rein menschlich ― so viele Kapitel aus dem unendlichen Gebiet der Krankheiten und Gebrechen!

Wenn ich so manchmal ― förmlich verstohlen ― einen Blick in die Ecke werfe, wohin ich mein literarisch Thun notgedrungen geschmissen,― wie kommt’s mich da so sonderbar, so heimlich ― so ― hols der Teufel, auch so traurig an! ― Nur einzelnes aus der Pathologie geht mich nahe an, nimmt einen Anlauf mich anzuregen ― und wie wenig kommt dabei, scheint mir, auf Rechnung meines naturwissenschaftlichen Interesses.―

Hoffentlich verschwindet wenigstens mit der Zeit meine nervöse Hypochondrie, von der ich übrigens so wenig wie möglich merken lasse ― dabei arbeit ich, wenn ichs recht ueberlege, doch verflucht wenig, spiele Billard und Domino, esse mit dem besten Appetit und werde beinahe fett.

― Jedenfalls ist und bleibt es ekelhaft, daß mein Leben jetzt jedes ― soll ich über das Wort erröthen? ― poetischen Reizes entbehrt … Alles ist fort … … und alle sind fort!

Heute, wo ich einen ganz speziellen Grund habe, verstimmt zu sein, tritt das alles nur noch schärfer zu Tage.

Juli