Samstag, 12. November 1881

12/11 Samstag Abend … Nehme dieses Blatt her ― um auf irgend eine Weise ― meine namenlose Langeweile … auszusprechen ― und wegzusprechen. Langeweile ― ja ― auf dem Punkt, wo sie beginnt, Schmerz zu werden! Ich sage nicht: Weltschmerz. Die Welt schmerzt mich nicht ― Ich schmerze mich selber ― ein ganz gewöhnlicher Egoist … ein unterhaltungssüchtiger Mensch, der sich nach Zerstreuung sehnt … ein sinnlicher Mensch ― der nach südlicher wilder Liebe lechzt ― vielleicht auch ein Mensch.― von Anlagen, von Geist ― der nach dem Kreise der Begabten sucht, in dem er sich wohl fühlen könnte ― gewiss … ein unruhiger nervöser ― Mensch … dem nun einmal dies Nichtslieben ― dieses Nichtserleben … diese verzweifelte todtenstille Existenz nicht behagt… Es ist als ob man in einem zugenagelten gläsernen Sarg durchs Dasein getragen würde … ― Im freien begraben! …

Ich glaube doch ― daß nun in meinem Seelenleben … Sinnlichkeit … oder schminken wir lieber: Liebessehnsucht eine große Rolle spielt ― Ich bin tief darnieder gedrückt ― Es schmerzt mich, das im zwanzigsten Jahre meines Lebens ― mit dem heiligsten Ernste, der tiefsten wahrhaftigsten Empfindung niederschreiben zu müssen. Jede Stunde Alleinsein findet mich verstimmt ― ja melancholisch ― beim Spiel, ― unter Leuten vergess’ ichs. Aber so kann ich absolut keinen fröhlichen, keinen stillheitern Gedanken fassen ― ja verzweifeln könnt’ ich oft ― und wie das immer so weiter gehn soll ―

Morgen fang ich wieder zu studiren an. … Aber einmal muss es ja besser werden.―

Karl Z. ist ― nun auch gestrichen. Er benahm sich gemein gegen mich.

1881-11-12