Mittwoch, 29. September 1880

29/9 Mittwoch Abend.― Es ist doch alles wie ein Traum und ich erinnere mich immer an jene Worte, die ich irgendwo einmal mir aufgezeichnet habe: wenn man von der Gegenwart spräche, so könne man eben so gut sagen: man spiele Ball mit einem Punkte.― Es ist so ein Dämmern das ganze Leben ― ab und zu stürzt sich eine Leidenschaft dazwischen, rührt den langweiligen Brei auf ― oder es bläst auch die sonderbare Köchin Schicksal oder Zufall genannt, ein wenig, so daß eine Art Bewegung hinein kommt und wir brodeln weiter im Kochtopf unsres engen Daseins, bis wir weggeschüttet werden auf gar erbärmliche Weise. Zwar bilden sich gewisse Leute ein, daß wir höchst schmackhaft zubereitet werden für jene unbekannte „ein bessres Jenseits“ getaufte Tafel, wo sich ein sogenannter Gott an uns erlaben mag.―

Aber mein Gleichnis hinkt wie mein ganzes Leben. Es ist wehmütig-langweilig, die allgemeine Nichtigkeit so klar, zu empfinden, sich bewußt zu sein, daß einen, man mag noch so glücklich sein, doch immer weit mehr öde, unzufriedene, ja traurige Stunden erwarten, als lieblich ausgefüllte, zufrieden heitre.

Ich mache einen großen Unterschied zwischen Lustigkeit und Heiterkeit. Lustig bin, ich weit öfter als ich heiter bin. Zum letztern gehört eine schwer zu erringende Ausgeglichenheit des Gemütes ― gewesenes und seiendes muss in ein stilles helles Bild zusammenfließen und ahnen lassen, dass es so bleiben wird.― Lustigkeit hingegen ist die augenblickliche durch Befriedigung dieses oder jenes Sinns, dieser oder jener Sinnlichkeit, durch einen momentanen günstigen Eindruck hervorgezauberte Freude an eben dieser Spanne Dasein.―

Brodle weiter, guter Brei, und freue dich deiner Nebenbreie ― amüsire dich mit den Kochtöpfen an deiner Seite, brodle so lustig als du kannst.―