Mittwoch, 9. Juni 1880

9/6 Mittwoch Mg.― Neulich war Hermine da. Auch sie hat Fortschritte in der Koketterie gemacht. Künstlich geringelte Löckchen fallen in die Stirn; aus den Augen, den braunen sanften, glüht in Momenten ahnungsvolle Begier hervor; die Hüften runden sich wie zum Empfang.―

Heute Nachm. besuch’ ich R.s. Ich werde mit neuer Erregung nach Hause kommen; das wird alles sein, was ich mitnehme. Höchstens noch den Aerger der alten. Und besonders meinen. Ich werde wieder die herrliche unsäglich reizende Gestalt sehn, den blendenden schlanken Hals, die bezaubernden Lippen, die glänzenden, in Sehnsucht, Traurigkeit, Hoffnung schwimmenden Augen ― ich werde all das sehen ― und nur sehen! ―

Nm.― Ich war dort; auch Jacques, die Frau war ganz liebenswürdig, Fany wunderschön. Als wir weggingen, entfernte sich ihre Mutter auf einen Moment aus dem Vorzimmer ― Fany sah mich mit jenem unbeschreiblichen liebesehnsüchtigen Blick an und sagte ― Ach ich bin verrückt (zu deutsch „verliebt“) ich drückte rasch einen Kuss auf das Himmelsgesicht…

Es wurde von Liebe, Heirat etc. gesprochen. Von Liebesheiraten und Geldheiraten. Ich fand es sehr bedauerlich, daß die Liebe keine Renten abwerfe und sehr wünschenswerth, dass man sich mit Verstand verliebe.―

Abends.― Ich komme aus dem Volksg. Fanny M. ist vollkommen unsre Vertraute. Es war ein angenehmer Abend; aber ich hatte gewaltige Mühe, der liebsten nicht um den Hals zu fallen.

1880-06-09