Dienstag, 8. Juni 1880

8/6 Dinstag V. Mg. C. C.― Sandor R. ist ein eleganter Schwindler; allerdings nicht in allzugutem und allzubösem Sinn.― Jetzt ist’s mir trotz alledem und alledem besser zu Mute als just heut oder gar jetzt vor einem Jahr. Noch jetzt hat der Gedanke, daß ich das Gymnasium hinter mir habe, seinen Reiz für mich nicht verloren. Es war doch eklig, sich von jedem Schuften und jedem Dummkopf Dinge sagen zu lassen, die den lebhaften Wunsch wachriefen, den widerlichen Leuten die Bücher an den Kopf zu schmeißen; ― ein Wunsch, den man leider nicht in die That übersetzen durfte. Wenn ich mich so erinnre an den Schuften Dvořak, an den Trottel Meister, an den Flegel Blume, den gemeinen Kerl Woldřich, den geistlosen Dir. Schmidt, den ekelhaften Pedanten Weiß u. s. w.― pfui Teufel. Die einzigen Menschen von Herz und Geist waren Konvalina und Walz.

― Abds.― Ich sprach ein paar Worte mit der ewig geliebten Fanny, auch mit Thilda…

Noch immer hoff’ ich etwas himmlisches, muss aber in 9 Augenblicken unter zehn gestehen, oder 99 unter 100, dass ich vergebens hoffe. Und ich bleibe dabei: So lieb’ ich nicht mehr. Ich habe schon mehr Thränen über die Dinge, wie sie jetzt stehn, vergossen, als sich für einen modernen Großstädter ziemt, der sich ja jedem tiefern Gefühl möglichst fern halten soll. So zerfasert man zumeist den Schatz der Liebe in unzählige kleine Lieblein und Liebschäftchen, weil der Erfüllung unzählige Vorurtheile im Wege stehen; Etikette, Kleinlichkeiten. Aber „die erste Liebe, die zumeist die wahre zu sein pflegt, verhält sich oft zu den andern wie ein Shawl zu den Fransen, die sich nachher, wenn er alt wird, von ihm loslösen“.―

Barasch ist in der letzten Zeit noch ekelhafter geworden. Ich habe alle Achtung vor diesem Menschen verloren, da sein Selbstbewußtsein und seine Talente doch in gar zu argem Widerspruche stehn.― Seine affectirte, arrogante Art und Weise ist mir zuwider.―

Ich habe heute meinen Roman zu schreiben begonnen. Er dürfte Albine heißen. Die „alten Schüler“ schreiten rüstig fort; ein bürgerliches Trauerspiel wird demnächst in Angriff genommen. Ich will besonders den 4. Akt von „Vor der Welt“ umarbeiten; vom Aegidius die Scene vor dem Nonnenkloster.

Meinen Augen gehts natürlich wieder schlechter, meine Nervosität ist unerträglich.