Montag, 19. Jänner 1880

19/1 Montag Nm. Eine Stunde lang mit Fanny in der Frühe. Ihr Bruder hat den Kuss von gestern bemerkt und den werthen Eltern hinterbracht, was zu häuslichen Philistrositäten Anlass gab…―

… Aber was hilft die Verführung, die süß lockende, wenn wir angeklebt sitzen in einem Fass von Pech. Nicht doch, sagen gewisse Leute, du pickst in Syrup, nicht in Pech.― Soll mich das trösten? Und ach ach ach ist es Syrup? O armer bedauernswerther, pickender Jüngling, nach Erlösung piepender Jüngling, du wirst picken und piepen dein Leben lang; auch wenn du nicht mehr ein Jüngling bist.-

Abend.― Es war zum Entzücken. So machen wir uns über die ganze Welt lustig, sagt’ ich ihr, während wir in dem einsamen Quaipark umherwandelten. Das waren Küsse ― Rings lag der Schnee; neben uns floss die Donau hin; wir aber hingen Lipp an Lippe und waren glücklich. Eine süße Medicin liess ich mir von ihr für meine Augen bereiten; sie küsste mich auf die beiden Augen, und wenn ich mit ihr beisammen bin, bin ich ja gar nicht mehr krank.

O das holde liebe Mädchen. Es war fast ganz dunkel; das kahle Gesträuch hing voll Schnee, drüber überm Strom wars hell von Laternenglanz ― ein Nebelstreif aber tanzte hin und her und fort und verschwand mählig; der Nebelstreif hiess Philisterium und tauchte unter in den Fluten des Glücks, während wir uns lang, lang, glühend, innig küssten.

― Der Brief jedoch so ich von Rudolf erhielt, lautet wie folgt.

„Meine Eltern sehen sich durch den gestern stattgehabten Vorfall, den ich zu bemerken und zu erzählen durchaus nicht vergass, veranlaßt, meiner Schwester den Umgang mit dir zu verbieten. Es thut mir gewiss sehr leid, dir dies mittheilen zu müssen, umsomehr, als ich bis gestern glaubte, an dir einen ehrlichen Freund zu besitzen. Ich hoffe, daß du, um üble Folgen zu vermeiden, keinerlei Versuche machen wirst, obiges Verbot zu umgehen. Ich glaube nicht, daß unter solchen Umständen unser freundschaftliches Verhältnis fortbestehen kann und stelle ich dir daher frei, dasselbe zu lösen. R. 19/1 80.“

Was sagte wohl der gute Mann zu dem heute Abend stattgehabten Vorfall? Wir, mein Mädchen wollen uns lustig weiterlieben, weiterküssen, der Jugend, der Liebe, der Küsse uns freuen und daran denken, daß die Zeit hinflieht wie ein Hauch, und die Leute Narren sind, die nicht genießen, was ihnen in Wahrheit nicht verwehrt ist.―

Im C. C. zeichnete ich mir heute den ersten zerstreuten Entwurf zu einem Drama auf, das ich nach dem Aegidius, vielleicht sogar noch später aufnehmen will - da ich an einige Novellen denke. Das Drama spielt in unsrer Zeit, in unsrer Welt - und es lässt sich bei meiner subjektiven Manier denken, daß die Hauptpersonen des Stücks mit dieser Zeit und dieser Welt nicht sonderlich zufrieden sind.