Samstag, 16. Juni 1928

16/6 Ischl. Traum: dass ich einen Vortrag halten soll, Goethe Gedichte, die Schubert componirt hat (zur Jubelfeier); das Podium schwer erreichbar, ich probire, ganz rückwärts, Stufen quasi unter dem Podium selbst; Werfel hilft mir, indem er mich hinaufschupst. Ich stehe dann oben, eine Art Schulzimmer, lese, kenne die Gedichte nicht, habe mich nicht vorbereitet, es sind nur 6, 7 Gedichte, wie füll ich die Zeit aus? ― es geht zu Ende, ich bin etwas beschämt; Heini (oder Julius) sagt ein paar freundliche quasi aufmunternde Worte.― Ich bin dann in einem undecidirten Raum; Siegfried Geyer mit einer Art Landkarte, die aber, als Gegenstück zu meinem Diagramm eine Eintheilung des Bewußtseins enthält. Er zeigt mir eine gelb oder blau umgrenzte Partie (mit Flüssen und Städten) als Bewußtsein, rechts davon das Unterbewußtsein (Deutung: neulich bei Haltestelle seh ich S. Geyer und Frau; es fällt mir auf, dass er ein Gespräch vermeidet, wie in schlechtem Gewissen); ich sage ihm, dass die Karte nicht richtig,― zwischen Bewußtsein und Unterbewußtsein gibt es viele Schichten, allmälig Übergänge, ich trage anschließend vor, wie Lectüre auf den Menschen wirke, anders auf den genießenden naiven, anders auf den kritischen, bei jedem gingen die Ideenassociationen anders: bei naiven zu ähnlichen Geschehnissen etc., beim Kritiker vor allem zu andern Büchern … so red ich noch eine Weile, nicht S. Geyer ist da, sondern Georg Brandes, der in einer kleinen Einfahrt steht, ich entschuldige mich ― dass ich schon ¾ Stunden spreche;― Georg Br. redet nichts (ohne dass es mich überrascht); dann sitzt plötzlich auf einer Garten- oder Schulbank ― Lou Salomé, schwarz, hager, Brille?, sieht aus wie eine Amerikanerin hier im Hotel;― sie sagt, ob ich nicht wisse, dass sie mit Georg Br. bös sei.

Ischl ― Vm. mit C. P. Spaziergang Ahornbühel, Lindau, Pfandl, Elisabethpromenade zurück.―

Nm. am „Zug der Schatten“.