Freitag, 30. März 1923

30/3 Früh mit Lili zu O. Lili fand, O. sei ungerecht gegen Wucki gewesen und erzählt mir O.’s Bemerkung, sie Lili habe sich seit dem Sommer verändert. „Ich hab mich schon während des Sommers verändert; aber auch die Mutter hat sich verändert …“ Inwiefern ― ? „Sie ist in dem Gundolfkreis nationalistisch geworden.“ ―

O. empfängt mich mit der Bitte, nicht länger „hart“ gegen sie zu sein; ob ich nicht fühle, daß sie als „Bittende“ komme,― und daß sie eine Frau sei, die „alles verloren habe“ … Ich erkläre, was mich zu dieser sog. „Härte“ ― bringt, resp. mich hart scheinen läßt;― spreche von ihrem Wurzelfehler, der Überheblichkeit ― und ihrem Bedürfnis jetzt, hier lauter Vorwurfsgründe zu finden und womöglich überall Schuld von mir zu sehn.― Sie weint sehr;― ich desgleichen. Wir nehmen uns beide vor, endlich ruhig zu werden und in Freundschaft zu reden.―

― Mit Alma im Fortgehn ein paar Worte;― sie findet es furchtbar, daß wir (O., ich) so zusammenstehn;― O. habe wieder die halbe Nacht geweint;― sei überzeugt, eine Frau stehe zwischen uns ― u. s. w.―

Im Stadtpark mit Cl. P. spazieren.―

Imperial Mittagessen mit Thomas Mann (gestern sein Vortrag hier über occult. Erlebnisse), Oswald Brüll, Auernheimer.― Mit M. viel über Antisemitismus ― die bayr. Zustände.― Mit Brüll (Buch über Mann, viel über mich darin) über Josef den Zweiten.―

Nach Hause. Dann mit H. K. spazieren, die auf 2 Tage nach Gmunden fährt und mir vorschlägt mitzukommen.

― Zu Haus ist Olga, mit Lili räumend und fürs Mitnehmen herrichtend.― Sie nachtm. bei uns. Wir redeten nichts allein. Heini spielt Don Quixote Strauß.―