Sonntag, 10. September 1922

10/9 Traum u. a. von Stephi (sie war nur da ―) ich erzähle ihr und O. eine Anekdote: Ein junger Mensch sagt zu jemandem. Ich möcht entweder Schnorrer oder „Pfefferores“ sein (was im Traum etwa hieß Landstreicher); worauf ihm geantwortet wird: Sie sind ja Schnorrer. Er darauf. Ich möcht aber ein Pfefferores sein. Und der Held der Anekdote ― irgendwie mein Bruder oder Heini, steht im Bademantel daneben.

Wie immer in steigend schmerzlicher Erregung erwacht. Die Sinnlosigkeit von O.s Existenz bis zur Unerträglichkeit empfunden ― gelitten unter der Unmöglichkeit zu einem reinen aufgeschlossenen Gespräch mit ihr zu kommen;― noch mehr darunter daß Lili nun wieder ohne Mutter leben wird ― und die Hoffnungslosigkeit der ganzen Situation tief gefühlt.

Vm. mit O. und Lili an den Königssee. Endlich schönes Wetter. Keine Pässe mit, also keine Schiffsermäßigung 5. Theil;― Spaziergang zum Malerwinkel; dann über die Schönau nach Berchtesgaden,― keine wirklich freie Stimmung.― Nach Tisch Annie Strial, trinkt Caffee mit uns. Die Damen in die Conditorei (Gagstatters waren mit Annie da);― ich zu Haus, am „Verf.“. Auf dem kleinen Sportplatz, meinem Fenster gegenüber, Wettläufe, die ich mit dem Zeiss verfolgte.― Ins Zimmer zu O. und Lili, die nähten. O. erzählt von Gagstatters (düstre Winterprophezeiungen;― über Zuckerkandl (dessen Assistent er war); das „Minderwertigkeitsgefühl“ vieler gerade der besten Juden). O. (schon Vorm.),― über die Angst, die sie haben werde, für uns, so weit von uns (wo?) ― ;― bald über ihre Dyspepsien bald über leichte Myombeschwerden (?) klagend und eine Operation vorhersehend … Mein Herz in steter schmerzlicher Bewegung, doch es verhärtet sich wieder ― wenn ich in ihrer Miene, ihrem Wesen diesen Ausdruck lese, den wohlbekannten … als wäre ihr von mir ein Unrecht geschehn … Der kurze Abendgang wie gewöhnlich, mit Lesezimmer;― mit Thränen kämpfend … ― und dann wieder, das Nachtm. im Hotel, O., Lili und ich, plaudernd, auch lachend ― glückliches Familienbild.