Freitag, 1. September 1922

1/9 Berchtesgaden. Regen. Ging mit Lili (die andern: Olga, Frau P. und Liesl hinter mir);― vom kommenden Winter ― Vorzüge Partenkirchen gegenüber Berchtesg. (das ich O. zum provis. Aufenthalt rathe) ― sie selbst (Lili) möchte auch viel lieber auf dem Land leben, als in der Stadt;― ich gebe ihr die Schwierigkeiten, zweierlei Haushalt etc. zu bedenken ― die Mutter habe davon gesprochen, dass ich vielleicht auch den Winter nicht in Wien (mit ihnen also) verbringen werde;― ich betone die Unmöglichkeit für mich ―; übrigens auch die Schwierigkeiten ihrer weitern Ausbildung in Garmisch-Partenkirchen;― sie meint heuer wohl nicht; aber vielleicht vom 14. Jahr an ― bei Frau Ziegra (Schule in Partenk. für junge Mädchen) ― Ist dies alles vorläufig auch noch nicht schwer zu nehmen;― die Bemühungen O.s sind deutlich zu spüren;― ein neues Conflictselement scheint gegeben;― die Möglichkeit totalen Zusammenbruches des Wiener Hauses;― völliger Einsamkeit zeigt sich;― ich schwoll vor Bitterkeit.― Im Regen um den Kälberstein spaziert, mit O. und Frau P.; in ganz harmlosen Gesprächen (auch über ev. Berchtesg. Wohnungen;― Dienstbotenmisere Wien;― finanz-politische Misèren).― ― In der Milchhalle,― wo auch Liesl P. und Lili hinkamen, und wir alle speisten.― Mit O. ins Café Wittelsbach, dann Lesehalle;― wie jetzt meist vollkommen ruhige Gespräche ― vor allem über die desolaten Wr. Verhältnisse, Preise, die häusl. Zustände (wo man dann doch immer wieder spürt, sie nimmt alles nur als Provisorium und ist irgendwo und -wie froh, dass sie diesen Dingen aus dem Wege geht und ihr im Grunde sorgenloses Leben der „alleinstehenden“ Frau weiter führen darf) ―, über Thayer, Hugo u. s. w.― Nach meiner Arbeit zu fragen hütet sie sich ― wie nach manchem andern ― Gegenfragen fürchtend.― Im Hotel empfing uns Lili in Liesl P.s „Ball“toilette, „junge Dame“ aber es war noch sehr „Costume“.―

Träumte heute Nacht, irgend ein Stück von Strindberg würde aufgeführt ― aber die (zwei) Darsteller, er, und sie mußten nackt spielen;― dann waren es die Lebendigen Stunden, ich sah den Grund nicht ein;― (sah übrigens nichts von den Schauspielern, nur schattenhaft eine Frau (Er. W. ― ?),― wo sie am fraulichsten war);― ich selbst lag nackt auf den Parketsesseln, neben mir Lina Loos, die zärtlich mein Bein berührt;― (auch die Hofr. spielte (im Traum) eine Rolle, zu der sie sich wenig eignete).