Samstag, 5. August 1922

5/8 Viele Träume (schon lang nicht so lebhaft wie hier). Zuerst: Vorlesung, die wieder durch allerlei gestört wird ― ich kann den Druck nicht lesen (Speisekarte gestern!) ― was ist es ― ! Medardus in Versen (?) ― ich entschuldige mich beim Publikum … sehr wirr und peinlich (etwa dem Maturatraum entsprechend, den ich nie gehabt ―); dann, in der Wollzeile mit H. K. ― aber eigentlich ist es ein Gemisch von V. L., M. G., Annie Strial;― erhalte einen Refus, der mich ärgert; esse Chocolade; will ostentativ fortgehn; stehe vor einer Buchhandlung;― ein paar brochirte Kinderbücher (?) in der Auslage, Titel etwa „Das kleine Pümpschen“ (nicht genau so) sie will wieder anknüpfen ― ich sage, sie solle nur telefoniren ― dann: an einem Tisch Olga Ludaßy,― über die Krankheit Lud.s sprechend; aber sie ist (im Traum) nicht seine Frau; bemerkt, es sei Unrecht, daß man ihn so leiden lasse (Sinn: man solle ihn umbringen);― schon um O. Lud. willen.―

Wache in trübster Stimmung auf; in einem Gefühl von Verlassenheit, das durch die Nähe der Kinder und O.s gesteigert erscheint; und durch die Hoffnungslosigkeit (das Wort ist zu stark) meiner Arbeit gegenüber besonders betont ist. Bittere Thränen. (Warum schämt man sich immer irgendwie der Thränen,― und nie des Lachens?) ―

Zum Schauer. Gerty und Schüleins mit Kathrinchen aus M. da.― Im Kahn zu einem Sonnenwiesenplatz an der Possenhofener Schloßmauer;― die Kinder badeten, sonnten sich, kletterten affenhaft auf einen Baum, dessen dickster Ast brückenartig wieder in die Erde wurzelte. Auch Schüleins kletterten. Ich spazierte mit O. eine Weile am See hin, im verbotenen Park;― wir sprachen mit mühseliger Harmlosigkeit. Es wäre genug sein eignes Leid zu leiden;― ich leide das ihre mit; und bleibe starr, wie sie.―

Wir speisten alle beim Schauer.―

Nm. mit geschäftlichen Briefen und Telegr. beschäftigt (HollandAmerikaSeltzers „Festnahme“ wegen Casanova!) ― versucht am Verf. weiter zu arbeiten.―

Possenhofen; mit Chapiros (und O.) Schüleins zur Bahn begleitet. Ch. hat heute in München erlebt ― daß er einen eleganten Herrn nach der Synagoge fragte ― worauf dieser sagte „Verflucht“ und vor ihm ausspuckte. ― Schüleins, die französ. mit Chapiro sprachen wurden (hier!) von einem Passanten angefahren, sie sollten nicht franz. sprechen!―

Nachtm. beim Schauer. Guß. Heini und Fr. Nirenstein begleiten mich ins Hotel zurück.―

1922-08-05