Sonntag, 28. Mai 1922

28/5 Telef. mit V. L., die plötzlich wieder seelisch darnieder ― Nach Grinzing;― Helene Binder gleichfalls aus der Tram steigend begleitet mich; spricht von ihren Familiengeschichten; fragt nach München. O. scheint weiter herum zu erzählen ― daß ich sie bitte zurückzukehren;― sie sichs aber überlegt. Dies in Zusammenhang mit allem andern ― verbitterte und vergiftete mich derart, dass ich fast einen jener innerlichen Anfälle hatte ― wie zur Zeit unsrer Ehe.― Allein weiter, über Hohe Warte.―

Zu Tisch Liesl Pollaczek.

Den schönen, ergreifend schönen Sommernachmittag verbracht ich auf meinem Zimmer. V. L. hatte wiederum telef. ― ich solle „Geduld“ mit ihr haben … Mit Leo telefonisch ein Gespräch über die Artikelei zu meinem Geburtstag ― das Nicht wollen … die Leichtfertigkeiten und Fälschungen, … die alberne Verkleinerung der Themen Liebe und Tod, … die Faselei von der „versunkenen Welt“ u. s. w.;― H. K. telef.,― wollte in meinen Garten kommen ― nein;― ordnete, sichtete,― konnte mich nicht entschließen, an eine Arbeit zu gehen,― dachte schmerzlich bitter an O.;― und der nutzlose Sommerabend macht mich traurig bis zu Thränen. Ins leere greif ich überall. Heini spielt unten Clavier ― ich war auf der Terrasse, habe Lili zärtlich geküsst, in den Ohren sausts und zwitscherts, und mir ist weh um Herz und Sinn …

Hr. Tommaso Alessandro, Agent aus Mailand, wegen Reigen.―

Heini spielt mir aus einer Mussorgski Oper vor.

Nach d. N. mit H. K. im Meridianpark;― sie hustet, fiebert ein wenig, hat ihren haltlosen Tag, weiß nicht was sie will.