Sonntag, 20. Februar 1921

20/2 S.― Vorfrühlingstag. In unendlich trüber Stimmung spazieren Himmel Cobenzl Hohe Warte. Mit Anstrengung „Weiher“ nachgedacht, ein paar Sachen notirt. Prof. Zimmels, der einstige Rel. Lehrer Heinis; über dessen gute Prüfung und Directors Falschheit.―

Bei Salten, der mit seiner Tochter eben mittag ißt, um dann ins Theater zu gehn.― Über die Reigen Sache;― über den „Schwierigen“ von Hugo;― den er in den härtesten Worten ablehnt.―

Zum Thee kam Julius.― Ich las ihm den Brief von Lucy vor,― erzählte ihm allerlei, las ihm O.’s letzte Briefe;― er findet, daß kaum was andres übrig bleibe als Trennung,― daß eine Rückkehr von O. keineswegs wünschenswerth wäre.― Er spricht von den Gerüchten;― die Taktlosigkeit O.’s knapp vor Reigen abzureisen, hat es dahingebracht, daß man nun erzählt, sie sei „durchgegangen“.― Was mich am tiefsten berührte ― die allgemeine Unbeliebtheit O.s. Immer dieselben Sachen,― die mir ja nie unbekannt waren;― aber nun von Leuten bemerkt, gedeutet, die ohne jedes Wohlwollen sind. Ihr Verbrauch an Menschen, ihr Hochmut, ihre Ungüte … … Ich bat Julius, er solle O. in Schutz nehmen und unsre „zeitweilige“ Trennung „officiös“ durch ihre schwere Nervenkrise (nach Todesfällen u. s. w.) begründen.―

Ordnete allerlei in Schreibtisch und Secretair.―

Nun wäre man so weit … Es ist wie wenn man schon lang eine Todeskrankheit vermuthet und sich doch innerlich getröstet … es werde vielleicht Hypochondrie sein. Und nun steht es fest: Aus.―

Die unleidliche „Beileidstimme“ mancher Leute: ― die nicht recht wissen, warum sie mich mehr beklagen sollen; um des Reigenskandals (er hat sich so ziemlich zum größten der Theatergeschichte entwickelt) ― oder um der Lebenskatastrophe, die offenbar geworden.

Ich las Nachts Otto Braun zu Ende, und war sehr ergriffen. Daß man doch noch immer solche Reserven in sich hat. Meine Nerven sind scheints besser als ich gedacht. All diese Dinge erleben,― und überdies gesperrt in einen kreischenden Vogel- oder Papageienschwarm;― und sich immerhin „oben erhalten ―“.

Es ist doch gut, daß man als Empörer oder wenigstens als Auflehner zur Welt gekommen.

Immerhin ― das Herz that mir weh, in meiner Seele schwoll es von Bitterkeit, und ich weinte viel … und doch wohl nicht über den jungen Tod des wunderbaren Otto Braun