Sonntag, 9. Jänner 1921

9/1 O. erzählt früh mir und Heini folgenden Traum: … Sie liegt in ihrem Bett, soll hingerichtet werden, drei Männer, in Costume der franz. Revolution, einer an der Eingangs-, einer an der Thür zu mir,― der dritte schattenhaft; sie muß aufstehen, ihre Beine sind nackt,― was thuts jetzt, denkt sie;― ich trete aus meinem Schlafzimmer ein, trockne mir eben die Hände, es sei schönes Wetter, ob sie nicht mit mir spazieren gehen wolle.― Sie: „Du siehst doch …“ Ich gehe indignirt ab, ohne mich um ihre bevorstehende Guillotinirung zu kümmern, vom andern Fenster in meinem Zimmer bespreche ich mit irgend wem auf die Straße hinunter einen Spaziergang. Einer der Männer, sie solle beten,― sie faltet die Hände; nähert sie der Stirn … Der Mann: Sie sind wohl eine Wienerin ― ? Alle Wienerinnen beten so … Sie geht, einen Mantel übergeworfen. Wucki, die einzige treue: „Man wird Ihnen doch nicht gar die Augen verbinden! …“ Sie tritt aus dem Haus ― es ist nun ein andres,― auch eine andre Straße wie in einer fremden Stadt. Sie sieht sich um;― niemand sieht ihr von den Fenstern aus nach;― was sie ohne eigentlichen Schmerz constatirt.

Der Traum ergriff mich, leicht deutbar, mehr als sie selbst;― charakteristisch war aber, daß sie mirs doch ein wenig übel nahm, daß ich mich im Traum so gleichgiltig benommen.―

Mit Heini und Lili Prater,― Tegetthoffkino, auf Einladung Dir. Sterns „Die Schauspieler des Kaisers“ (mit Schott, Herterich u. a.). Der trübselige Wurstelprater. Hin und zurück mit Ludaßy.―

Frau Vilma L. zu Hause noch bei O.;― O. sagt mir nachher, Frau L. denke doch immer dran von ihrem Mann wegzugehen; sie werde es aber gewiß nie thun …―

Nm. Paul Friedmann und Bubi mit Heini bei mir im Zimmer. Die neue Generation.―

Lili wird’s übel; ich begleite den kleinen Franzl L. nach Haus.

Zur Hofrätin. Gräfin Wydenbruck (Ischl), Frau Rapoport (Unruh;― sie wurde merklich kühler, als ich nicht bedingungslos von „Platz“ schwärmte);― Julius Bauer (die Verhandlung über den Reigen in Berlin,― Moissis und Durieux’ schäbige Aussagen),― Praes. Vetter („Was sagen Sie was ich angestellt hab“ (er hat eben Wildgans zum Burgth. Dir. gemacht)) Thad. Rittner (amerikanische Anträge, Schmutzerein).

― Z. N. bei uns Richard und Paula; Linden und Frau, Herterich.― Mit Linden über Burgth. und mich. Das bevorstehende Gastspiel in Schweden. Der offenbare Widerstand der Hockleute was von mir zu spielen; ihr unbehagliches Verwundern, daß ich dort der bekannteste unter den oesterr. Dichtern.― Mit Frau Linden Filmgespräche.

1921-01-09