Dienstag, 21. September 1920

21/9 Vm. im Rathaus, zuerst Mag. R. Suttner, dann Oberphysicus Böhm, in Angelegenheit von Liesls Aschenresten, Rücktransport etc.―

Bei der Hofrätin. Das Salzburger Gespräch fand nach ihren Angaben so statt. O. läßt sie zu sich bitten (sie wäre in Wien nicht gut geschieden, da die Hofr. ihr meinetwegen Vorwürfe gemacht);― Hofr. erzählt ihr, dass im Volksgarten am Nebentisch zwei Herren scherzweise davon gesprochen, dass (Rich. Strauß und) ich, wegen literar. Productionsschwierigkeit Steinach benutzen würden; Hofr. benützte das, um O. auf das Unrecht aufmerksam zu machen, das darin bestände, daß sie meine Arbeitsunfähigkeit auf das „Altern“ zurückführe ― und fand es besonders häßlich, dass sie das auch mir gegenüber ― wie ich der Hofr. gerade an jenem Tag empört gesagt ― versuche. O. war davon sehr erschüttert gewesen (?),― und entdeckte plötzlich, daß diese Sache ― von Vilma L. ausgehen müsse,― die Unfrieden zwischen uns stiften und mich heiraten wolle! (O. kann das unmöglich einen Augenblick lang wirklich geglaubt haben!) ― Die Hofr. schied damals mit der Empfindung, daß die Sache auf O. Eindruck gemacht hatte;― zweifellos haben die darauffolgenden Gespräche mit Frau J. und Gr. sie umgestimmt und ihren Plan erst zur Reife gebracht (nach München zu gehen). Das Salzb. Gespräch benützte sie (halb unbewußt) als willkommnen Anlaß.― Auch hat O. mit ihrer Vermutung Recht, dass sich Alma von ihr abgewandt ― und ich mit meiner Vermuthung,― daß auch diese Abwendung auf die Art zurückzuführen ist, in der O. in ihren Briefen an Alma sich über mich beklagt. Immer von meinen „Quälereien“ ― nie von den Gründen.― Wie traurig, wie kläglich … ― Ich sprach von den außerordentlichen Qualitäten O.s;― ― wie schade, daß nur diejenigen was davon haben, die ihr mehr oder weniger sympathisch sind (für kürzre oder längre Zeit),― und die andern nur ihre schlimmen Eigenschaften zu verkosten bekommen.

Zum Thee die Hofr.; wir saßen an O.s Bett. Die Auffassung O.s, das Gespräch mit der Hofr. in Salzb. betreffend, zerfiel sofort. Da wurde alles andre aufgerollt. Die Hofr. wirkte mildernd;― O. sprach sich aufrichtiger aus als in dieser ganzen Zeit, beklagte, daß sie immer wieder das Bedürfnis habe sich mit mir auszusprechen, und daß meine abweisende Art es verwehre. Am wesentlichsten ihre Äußerungen über Gr., so wenig sie mir neues sagen konnten, nur wesentlich dadurch, daß sie überhaupt gethan wurden, insbesondre über seine „Güte“. Seine Bemerkung: „wenn ich glaubte, daß noch etwas besser werden könnte, indem ich aus der Welt verschwände, ich würde es thun“.― Immerhin war es nach zwei Stunden so weit, daß wir die Modalitäten unsrer Trennung zu besprechen anfingen. Und an dieser Stelle schlug die Stimmung um, insbesondre mit Rücksicht auf die Kinder; Versöhnlichkeit, „Verstehn“, Aufathmen (auf wie lange ―?) ― und als die Hofr. ging, saß ich noch eine Zeit auf O.’s Bett ― und sie fragte vor allem nach meinen Arbeiten; schien wie erlöst. Der Abend verging wie in alten Zeiten: die Kinder und ich bei ihr in einer wie gereinigten Atmosphäre.

Die Hofr. ist in dieser Sache völlig freizusprechen;― und auch O. spürte, daß sie nicht nur mein, sondern auch ihr Bestes wolle.―