Freitag, 6. August 1920

6/8 Vm. gerechnet, geordnet.―

Nm. herumgelegen, gelesen; ununterbrochene Herzgefühle und innere Zerstörung.―

Gegen Abend Leo. Er hat Nachricht von Bella, über Stockholm. Sie lebt ― lebt, was auch schon etwas ist, in Petersburg.― Welche Zeit! ― Rothe und weiße Schurkereien.―

Als O. mit dem Packen fertig, sie zu mir, finanzielles ordnen. Das unausbleibliche Gespräch hob an. Ich sehr ruhig. „Dein Irrtum, daß du, als meine Frau, in meinem Hause wohnend, mir nicht Wahrheit schuldig. Bestehe darauf.“ Nach principiellen Erörterungen erwidert sie klar und einfach; mit dem Ton der Aufrichtigkeit. Ob wahr oder nicht ― ich weiß es nicht,― und empfand zugleich, wie gleichgiltig das im Grunde;― daß die Zerrüttungen von innen kommen nicht von außen.― Wir sprachen ganz gut, fast zärtlich;― die Urfehler unserer Natur, ohne heftige Vorwürfe, wurden wieder einmal durchgesprochen;― das wesentliche ist ― ihre ungeheure Erschöpfung,― und mein völliger Nervenzusammenbruch.― Schuld ― ―?― Ich der „Quäler“,― sie die „Unbescheidene“,― die „Unzulängliche“ wie sie sich selbst nennt … Daß ich ihr über meine Arbeiten nichts mehr sage, kränkt sie am meisten;― mir schien es wie eine Lüge unter diesen Umständen. ― Zum Capitel „Schuld“ ― was hätte es geholfen, wenn einer ganz ohne Schuld gewesen wäre ―? Ich wäre wohl in jedem Fall der „Quäler“ und „Tyrann“ gewesen ― auch einem bescheidenen sanften gütigen Wesen gegenüber; sie jedenfalls „unbescheiden“ in jeder Lebenslage. Sie sagte heute: sie fühle nur ein Unrecht das sie vielleicht begangen ― daß sie ihren Gesangsambitionen zu viel Platz eingeräumt.― Ich weinte viel, sie lag an meinem Hals ― und spüren wir nicht gerade in solchen Momenten die völlige Hoffnungslosigkeit unsres Verhältnisses. Dabei hat sie gewiß recht, wenn sie sagt, daß sich mein Bild in ihr nicht verändere ― und ich ihr im Grunde immer bleibe … der ich ihr war (obzwar sie in ihren bösen Stunden eine wahre Schreckgestalt aus mir macht);― und ich wieder,― je unmöglicher mir ein Zusammenleben mit ihr scheint, umso unfähiger bin ich, sie mir aus meinem Leben wegzudenken.― Bis tief in die Nacht redeten wir; dann las ich noch in Eloessers „Straße meiner Jugend“ weiter.―

1920-08-06