Freitag, 5. März 1920

5/3 Probe Burgth.― Schluß Schwestern.― Im Foyer.―

Zu Hause finde ich wieder alle auf meinem Balkon;― O. auf dem Divan, der aus ihrem Schlafzimmer hingestellt wird.― Verweint, zornig … Was gibts?― „Lauter Egoisten … Ich liege in meinem Eisloch bis jetzt (ihr Schlafzimmer das wie meins nach N. liegt) ― niemand sagt mir dass es schön ist … Jetzt erst … Nur weil man zu faul war, den Divan auf den Balkon … etc.“ Ich mache sie aufmerksam dass das Schönwetter auch von ihrem Zimmer aus deutlich zu bemerken und es morgens thatsächlich etwas kühler gewesen sei als gestern … Dann aber kam der eigentliche Grund … Heini hatte Vormittag zuerst nicht mit Lili spazierengehen wollen, sich ungeberdig benommen … er dürfe also nicht zu den 3 Aufführungen der Mahlerschen VII. gehn.― ― Ich stelle daraufhin Heini heftig zur Rede; bitte aber zugleich O., nicht so sehr zu schrein, da doch nicht alle unsre Nachbarn … in den Garten etc… Darauf O…, nach weitern Heftigkeiten. „Man ist überhaupt nur froh, wenn man diesem Haus den Rücken kehrt.“ Ich entferne mich, ohne zu antworten, komme aber zur Suppe, die eben aufgetragen wird, zurück,― Olga fühlend daß sie zu weit gegangen, frägt allerlei über Probe u. s. w.;― auch Heini betheiligt sich am Gespräch, die scheinbare Beruhigung tritt ein. O. schläft ein;― Heini erhält von Vicki eine teleph. Einladung, resp. Sitz für die heutige Aufführung.― Ob er nicht doch gehen dürfe ― ?― Bitte die Mutter um Entschuldigung, sobald sie erwacht … Da sie das nicht thut,― erlaube ich Heini den Besuch der Symphonie;― will vorläufig die Verantwortung übernehmen etc. ― O. wacht auf (nach 2 Minuten); ich theile ihr mit, daß ich Heini den Besuch gestattet ― u. a. auch darum weil mir die Strafe als solche unrichtig schien,― da man doch nicht am Beruf strafen dürfe.― O. fassungslos vor Zorn;― immer contrecarrire ich sie;― und besonders alles, was sie über Heini verhänge, annullire ich (es ist im Lauf von 17 Jahren vielleicht zweimal geschehn;― allerdings verweise ich ihr immer wieder das wahnwitzige Schreien,― erinnre sie auch an Stephis Warnung, sie solle den Buben nicht verreißen).― Sie wüthend in ihr Zimmer ― wie ich nach wenigen Minuten gehe, sitzt sie weinend mit Lili im Badezimmer, scheint ihr ihr Herz auszuschütten, erwidert meinen Gruß nicht ―

(Ich fürchte triftige Gründe zu haben, diese Geschichte so ausführlich zu erzählen.) ―

Concert Erika Wagner; mit Kolap.― Spreche Hrn. und Frau Askonas; Hanne A. fordert mich zu einem Sonntagsspazierg. auf.― Mit Kolap nach Hause.―

Heini bei Tisch ―; die Mutter hatte ihm, als er ihr guten Abend sagen wollte;― vielmehr aufklären, warum er ein Buch, das er zu Grosz hatte bringen sollen, zu Hause gelassen ― die Thüre gewiesen.―

N. d. N. läßt mich O. bitten;― ob ich mich also zu dem Fräulein entschließen wolle, das sich neulich vorgestellt,― auch Lili gefalle sie.― Ich habe Bedenken, weil sie ganz ohne Sprachenkenntnis;― komme auf allgemeines finanzielles;― Bedenken, das Fräulein dann im Sommer mitnehmen zu müssen;― ob sich nicht überhaupt Einschränkungen machen ließen ― im vorigen Jahr ein Verbrauch von 300.000! … heuer kommen wir auf mehr ― vielleicht 4-5! ― darauf können wir doch unser Leben nicht einrichten … Bitte ― sie gedenke sowieso abzureisen; ich solle doch in dieser Zeit eine andre „Wirtschafterin“,― etwa Kolap ins Haus nehmen ― ob es möglich sei … etc.;― und ob ich vielleicht aufs Fleischessen verzichten wolle … etc. Ich erklär daß es kaum daran läge ― daß ich überhaupt keine Vorwürfe mache, daß wir aber doch etwas erwägen müssten.― Es sei doch nun 2 Monate ohne Fräulein sehr gut gegangen; etc. ― Darauf O.;― ja,― wenn sie O. mit Heini das Zimmer tauschen könne, dann ließe sich darüber reden … Dies bleibt vorläufig offen.― Übrigens wolle sie Dinstag jedenfalls fort ― seit letztem Samstag sei sie dazu entschlossen ― da ich trotz des Shocks, den sie durch ihrer Freundin Tod erlitten, wegen jenes (übrigens verunglückten) Probenbesuchs Vorhalte gemacht;― und ihr im weitern Verlauf Perfidie u. dergl. vorgeworfen. Ich bemerkte daß sich um meine Shocks leider niemand kümmre;― daß mein Vorhalt aber höchst berechtigt gewesen;― da es sich hier wieder um einen Taktfehler gehandelt hatte, wie sie deren (schlimmre freilich) im Sommer begangen ― die auch die von mir vorausgesehenen Folgen gehabt. Daß ich im weitern Verlauf heftig geworden ― thäte mir leid ― aber ich sei nun mit meinen Nerven am Ende ― was jeder Mensch einsehen müsse … Dann kam sie wieder auf meine dem Buben ertheilte Erlaubnis. Das sei der letzte Tropfen ― nun aber habe sie in puncto Erziehung mit ihm nichts mehr zu thun ― überlasse ihn ganz mir. Ich erklärte mich ohne weiters bereit die ganze Verantwortung zu tragen ― und setzte (zu hart vielleicht) hinzu;― ich hoffe, der Bub werde nichts dabei verlieren. Sie darauf aufs höchste erbittert, weint;― aber das sei nun meine Sache. Nur auf Lili käme es jetzt an. Dieses zarte Kind dürfe unter dem Zwiespalt nicht leiden u. s. w… Indess hatte es sich nämlich herausgestellt, daß sie gänzlich fort wolle;― sie könne nicht unter dieser ewigen Controle, diesem Mißtrauen leben;― sie fühle, wie ich von ununterbrochenem Groll und steter Wuth gegen sie erfüllt sei ― auch wenn ich mich beherrsche, arbeite es in mir wie ein „Registrierapparat“ und bei solchen Scenen käme es dann heraus … Ich gehe nun auf die Urgründe zurück;― es mußte so kommen;― eine Beziehung auf dieser Basis undenkbar … Sie hatte gehofft ― bei mir immer „Heimat“ zu finden … Ich sage: „verstehn“ ja ― aber immer „einverstanden sein“ das ist zuviel verlangt … Sie wieder ― daß ich sie immer ungerecht verdächtige … Ich: Keineswegs. Es kommt auch gar nicht auf Thatsachen an … Aber wie ist Vertrauen möglich gegenüber dem Standpunkt: „Ich thue, was mir recht scheint ― ich bin dir keine Rechenschaft schuldig … ich lasse keine Fragen an mich stellen ―“ ― und gegenüber einem absichtlichen, principiellen Schweigen,― auch wenn es ganz ohne Sinn ist … „Das Gefühl in mir, sagt ich schon neulich,― hast du völlig zerstört ― nun kommt es auf Takt und Ton an …“ Aber auch darin versagt sie immer und immer.― Und ich muß mich immer wieder fragen …? Wie komm ich dazu ― ?―

― Wir schieden ― wie nun immer ― unversöhnt.―