Freitag, 13. Februar 1920

13/2 Vm. dict. Med. Film, geht ganz gut.―

O. kommt von dem Gesangslehrer Gau, dem sie vorgesungen ― er weiß nur, daß das „nicht ihre Stimme“ ist;― O. verspricht sich, nach Erfahrungen andrer, und nach Anhören andrer Schülerinnen in seiner Lection, der sie mit Käte Stern beiwohnte, was für die Entwicklung ihrer Stimme; und wird bei ihm studieren.― Sonderbares Gemisch von Energie, Eigensinn, Unruhe, Eitelkeit und sachlichem Interesse.―

Nm. am „Nachklang“. Ich feile, feile, feile.

Abends kommt ein sechzehnjähriges russisch-poln. Judenmädel (sie hatte mir im Dezember geschrieben, Weg ins freie etc.) ― fast noch Kind; kurzgeschnittnes Haar, altklug; Vater war Arzt; früher reich, jetzt verarmt; früher Polen; jetzt Wien mit schwermütiger Mutter; sie selbst auch (wie sie gleich erzählt) vom Vater her belastet; geht hier in ein Coeducationsgymnasium; Sexta, heute aus Mathematik durchgefallen; Interesse für Plastik, hat früher gebildhauert, möchte auch jetzt was machen; im Gymnasium fast lauter ostjüd. Flüchtlinge, gescheidt, aber unangenehm, die Buben haben alle Weininger gelesen, sagen zu den Colleginnen: „Du bist ja nur ein Mädel“ ― im vorigen Jahr Lemberg, wird auf dem Gang in die Schule von einem Schrapnell leicht verwundet; wir reden von Zionismus, Communismus (sie bildet sich ein „Communistin“ zu sein), Herzl, ich erkläre ihr den Übergang der liberalen Aera in die christlich soziale u. s. w.; begleite sie, da sie Angst hat, durch die dunkeln Straßen zu gehn, zur Tram.―

― Sonderbare Welt.―

N. d. N. Arthur Kaufmann, Schmutzers und Otti Salten.―