Donnerstag, 20. März 1919

20/3 Wie meist zu früh erwacht; heute um 6. Die Zwangsvorstellungen. Zuerst höchst real das Gezwitscher und Geklinge und Gesumme, an das man sich immer wieder gewöhnen muß.― Dann die Steuersorgen. Das allgemeine. Die Unsicherheit, die Gefangenschaft, die Unmöglichkeit sich zu rühren, zu reisen. Nachsinnen über Beziehung zu O. Im ganzen gut, manchmal vertraulich und selbst zärtlich ― entbehrt sie doch der tiefsten Innigkeit, und von dem Gefühl einer wirklichen Geborgenheit bin ich weit weit entfernt.― Versuchte ― was fast nie des Morgens ― am Weiher zu schreiben,― und die Verse, die gestern so große Mühe gemacht, geriethen in kurzer Frist.―

Nach Hietzing zu Popper.― Er erhält viel Besuch, besonders ganz junge Burschen und Mädeln,― durchaus „bolschewistisch“,― und alle, wenn man näher zusieht, ahnungslos. Der Seuchencharacter wird immer deutlicher. Die bösartigen Snob Literaten ― Genre Wilhelm Herzog ― spielen eine gefährliche Rolle bei der Verbreitung.― Die hiesige Führerin, Frau Friedländer, lebt von russischem Geld glänzend.― Frl. Groß erscheint, eine Schwester des kleinen Groß, Gertys Freund,― der jetzt in Berlin spartakistisch gesinnt sich wohl auch so bethätigt …―

― Zum Thee bei Hofr. Zuckerkandl.― Dr. Schwarz Hiller und Frau, Baron Hennet. Schw. H. über jüdische Fragen; er ist für einen Zusammenschluss.―

Über die Anschlußfrage.― Sozialdemokr. Parteipolitik.― Volkwehr Stückerln und Regierungsfeigheit.―

„Frühlingsanfang“ ―, Unstimmigkeiten mit O. Hängt irgendwie zusammen.―

N. d. N. Schmutzer’s bei uns. Heini zeigt seine Bühnenmodelle.